»DIE NEWTON BOYS«

Vier Brüder

Aus der Reihe »Nikitin gegen den Rest der Welt«

Der engagierte Kinobesucher stellt in letzter Zeit immer wieder einen unangenehmen Trend im Kino fest: Kinomagier, Beherrscher der Kamera, des Lichts und Tons, geniale Geschichtenerzähler, sprich: Regiegötter enttäuschen das Publikum durch magere Abklatsche früherer Meisterwerke. Dabei ereignet sich der Absturz meistens von heute auf morgen. Jahrelang zuverlässige Garanten für mehr als angenehme Kinounterhaltung liefern plötzlich Machwerke unter aller Sau ab. Bei anderen vollzieht sich dieser Verfall eher allmächlich, die Filme werden langsam immer unerträglicher, blasser und einfallsloser.
Zur zweiten Sorte gehört die einstige Independent-Ikone Richard Linklater. Anfang der 90er schuf er zusammen mit Douglas Coupland eine neue Generation, die sich bloß mit einem X versah. Sein Kinodebüt "Slackers" besaß die filmische Reife und den Einfallsreichtum eines frühen Altman. Neben Hartley und Stilman setzte Linklater Maßstäbe im neuen amerikanischen Independent Kino. Seine Komödie Dazed and Confused fing nicht nur kongenial die Achtziger ein, es war auch einer der unterhaltsamsten Filme der Neunziger. Doch dann setzte sein Abstieg ein. Mit der unsäglichen Schmonzette Before Sunrise und dem belanglosen Laberfilm SubUrbia . Den Höhepunkt des Abstiegs erreicht der Regisseur allerdings mit Die Newton Boys , tiefer kann ein Filmemacher eigentlich nicht fallen.
Linklater hat so ziemlich alles verraten, was ihn einst so sehenswert machte. Statt auf Entdeckungen junger Gesichter zu setzten, die unter seiner behutsamen Führung ihr künftiges Potential darlegten, bedient er sich den angesagten Stars: Mathew "ich kann nichts außer mit einem starken Akzent reden" McConaughey, Ethan "Hab mich lieb!" Hawke oder Skeet "Nein, ich bin nicht Johnny Deep" Ulrich. Aber wahrscheinlich mußte er bei der überaus schwachen Westerngeschichte um vier gute Bankräuberbrüder mit Stars wuchern, da sonst kein Studio ein derartiges Risiko eingegangen wäre. Die Geschichte, die in den USA der "Roaring Twenties" spielt, gibt uns Einblicke in das untugendhafte Treiben dieser tugendhaften Gentleman-Räuber. Nicht nur, daß die Geschichte über keinerlei Spannung verfügt, auch die Inszenierung ist äußerst mäßig. Einziger Lichtblick ist der Abspann, in dem die "echten" Newton Boys bei Johnny Carson in der Tonight Show auftreten. An den Anfang gestellt und um 3/4 gekürzt wäre es ein erträglicher Spielfilm. Ansonsten lieber das Geld sparen, es nicht den Bankräubern in den Rachen werfen, sondern sich "Bonnie & Clyde" in der Spätvorstellung anschauen. Das war ein Gangsterpärchen, mit dem man mitfiebern konnte.

Nikolaj Nikitin