»EINE NACHT IN NEW YORK«

Wo is' die Party?

Nochmal die 80er

Die Neunziger Jahre haben wenig Eigenständiges hervorgebracht und werden wohl als Recycling-Jahrzehnt in die Kulturgeschichte eingehen. Modedesigner und Radio-DJs haben beharrlich die größten Hits der 6oer, 70er und 80er Jahre durchbuchstabiert, das Kino sekundierte gerne mit Sittengemälden aus dem jeweils angesagten Jahrzehnt.
Kurz vorm Milleniumswechsel werden jetzt noch schnell die Achtziger abgehakt. Risa Bramon Garcias Regiedebüt Eine Nacht in New York begleitet ein gutes Dutzend Mittzwanziger-Figuren durch die Silvesternacht von 1981 im Szene-Viertel East Village. In den frühen Achtzigern war von AIDS noch keine Rede, und die Antiraucher-Kampagnen hatten der US-Tabakindustrie noch nicht den Kampf angesagt. Deshalb wird in 200 Cigarettes - so der Originaltitel - auffallend viel geraucht, und jeder ist auf der Suche nach einem Flirt für wenigstens eine Nacht. Dabei sind eigentlich alle auf dem Weg zur selben Party. Aber weil nichts schlimmer ist, als zu früh zu kommen, hocken die Gastgeberinnen Monica (Martha Plimpton) und Hillary (Catherine Kellner) einsam und verzweifelt zwischen Luftschlangen und Schnittchentellern. Derweil treiben sich die potienziellen Partygäste durch Kneipen und Restaurants, versuchen unbedingt noch in diesem Jahr ihre Beziehung zu klären oder wenigstens einen gutaussehenden Barkeeper abzuschleppen. Auch die Cousinen aus Long Island verlaufen sich im Großstadtchaos und landen schließlich sogar bei einem echten Punk-Konzert.
Regisseurin Risa Bramon Garcia hat sich bisher als Casting-Agentin in Hollywood einen Namen gemacht und so liest sich die Besetzungsliste wie das "Who is who" der Nachwuchselite: Ben Affleck, Paul Rudd, Christina Ricci, Janeane Garofalo, Jay Mohr, Gaby Hoffmann, Courtney Love u.a.. Ein Film der dreizehn Schauspielern gleichzeitig eine Hauptrolle geben will, muss schon fast zwangsläufig scheitern. Paarweise driften die Protagonisten durch die Stadt und kreisen dabei doch nur um den eigenen Bauchnabel. Die vielen kleinen Geschichtchen ergeben zusammen keinen nennenswerten Sinn und die Figuren haben allesamt nicht genügend Raum, sich zu entwickeln. Dabei hätte man es z.B. mit Courtney Love und Paul Rudd durchaus einen ganzen Film lang ausgehalten. Als alte gute Freunde treffen sich die beiden zur rituellen Liebesfrust-Berichterstattung, bis sie ausgerechnet in der Silvesternacht auf die dumme Idee kommen, es einmal miteinander zu probieren, was in einem sexuellen Desaster auf der Damentoilette endet. Die beiden Charaktere sind mit ihrem ausgeprägten "No-Future"-Bewusstsein auch die einzigen, die in den Achtzigern verwurzelt zu sein scheinen. Alle anderen laufen herum wie verkleidete Neunziger-Kids, die auf der Suche nach einer Party sind, auf der die passende Musik zu ihrem Outfit gespielt wird.
Obwohl sich auf der Tonspur viel historisches Hit-Material tummelt und sogar Elvis Costello für Sekundenbruchteile zu sehen ist, verkümmert das Zeitgeistporträt schnell zur Themen-Fete und vom Lebensgefühl jener Jahre wird kaum etwas spürbar.

Martin Schwickert