NO.2

Sitzordnung

Eine neuseeländische Familienkomödie mit Tiefe und Schweinebraten

Das ist ein gängiger, wenn auch eher hilfloser dramaturgischer Kunstgriff: Das Fest als sinnstiftendes Ereignis. Die Zusammenkunft einer Gruppe, der Ordnung nottut, um weiter funktionieren zu können. Kunstwerke, die ein Fest zum Gegenstand haben, handeln meistens von der gesellschaftlichen Sitzordnung. Unter dem Vorwand des sinnlichen Genusses werden knallhart Hierarchien verhandelt: Ob da Vincis Abendmahl, The Big Night oder eben No. 2: Nach einem Fest, einem gemeinsamen Essen, weiß wieder jeder, wohin er gehört und wann er gehen sollte.
No. 2 war zuerst ein Theaterstück, dann machte dessen Autor Toa Fraser eine Filmdrehbuch daraus und inszenierte das Buch selber. Weil es nämlich um seine eigene neuseeländische Großfamilie ging, wie er sagt, und deren Schicksal hätte er nie in andere Hände gelegt. Ebenso rührend wie enervierend ist der Film: Matriarchin Maria, eine Fidschi-Neuseeländerin, langweilt sich zu Tode und will ein Fest geben. Ihre Kinder sind ausdrücklich nicht eingeladen, nur ihre Enkel. Und natürlich kommen die (längst erwachsenen) Kinder trotzdem und es werden alte Familienkonflikte aufgewärmt bis zum Abwinken.
Dann tritt jemand eine vernagelte Tür ein, und weil in diesem Film alles Symbolcharakter hat, weht anschließend ein frischer Wind durchs Haus und durch die Familie, die schmausend und lachend am reichlich gedeckten Tisch sitzt und Marias Rede zuhört: Wir alle sind eine Familie und brauchen einander... wie gesagt: rührend und enervierend.
Haufenweise kulturelle Details sind offensichtlich bedeutsam, dem Nicht-Neuseeländer allerdings fremd. Vom Begrüßungstrunk angefangen ("Das schmeckt wie Brackwasser!" - "Haha, Brackwasser, sehr witzig") bis hin zur Bedeutung, die es offensichtlich hat, wenn jemand unfähig ist, ein Schwein zu schlachten, entgeht einem da wohl einiges. Vielleicht kommt einem deshalb vieles einfach nur altklug vor.
Es gehört eine Menge Naivität, ein unverstelltes Ur-Vertrauen dazu, um der Menschheit im Ganzen einfach nur einen weisen sprituellen Führer zu wünschen, um das Glück zu erlangen. "Jeder von uns wird gebraucht, jeder auf seine Weise", sagt Oma. Spätestens an der Stelle wünscht man sich einfach nur ein gutes Stück Grillhaxe von der Sau, die da überm Feuer vor sich hinschmurgelt. Zu den meistens Familienfesten geht man halt wegen der Häppchen, nicht wegen der Sprüche.

Thomas Friedrich

NZ 2006. R&B: Toa Fraser. K: Leon Narby. D: Ruby Dee, Mia Blake, Rene Naufahu, Miriama McDowell