MR. NOBODY

Romantik und Quanten

Die Liebesgeschichte zwischen Anna und Nemo erstreckt sich über mehrere Parallel-Universen

Wie oft kann man in einem Leben sterben? Jared Leto als "Nemo Nobody" stirbt zu Beginn dieses Filmes tausend Tode: Ertrunken im Wagen, erschossen in der Wanne, verschollen im Weltraum - es ist immer der gleiche Mann und er kommt aus dem Sterben gar nicht mehr heraus. Dann sehen wir Leto als sehr alten Mann in einer Zukunft, in der er sich zunächts an nichts erinnern kann und wo ihm gesagt wird, er sei, mit 118Jahren, der letzte sterbliche Mensch und er solle doch bitte mal erzählen, wie das früher so war.

Und jetzt setzt der alte Mann ein Leben zusammen, das so gar nicht gewesen sein kann. Er erzählt von jenem Morgen, als er zur Schule ging und drei wunderschöne Mädchen auf einer Parkbank beieinander sitzen sah. Und er erinnert sich daran, mit jeder von ihnen verheiratet gewesen zu sein; gleichzeitig.

Dabei ist Nemo Nobody kein Bigamist, er fällt nur ständig durch alle Wirklichkeiten. An wichtigen Kreuzungspunkten seines Lebens erzählt uns der Film wie es denn war: Als er Elise heiratete und sie direkt nach der Hochzeit bei einem Verkehrsunfall starb. Oder als er Elise heiratete und sie einen anderen Weg fuhren, weshalb er mit Elise drei Kinder bekam, worüber Elise leider depressiv und verzweifelt wurde und ihr Leben nicht mehr mochte.

Ähnliche Momente erlebt Nemo (er heißt nicht zufällig wie die Traumfigur aus dem Comic-Klassiker "Little Nemo") mit der schönen Asiatin Jean und mit seiner großen Liebe Anna (wechselweise gespielt von Diane Krüger und Juno Temple).

Dazwischen steht Nemo als Fernsehmoderator in einem Studio und erklärt uns die Unwägbarkeiten der Quantenmechanik. Warum die Zeit nur in eine Richtung fließt, warum die Anzahl der Möglichkeiten den Zeitpfeil bestimmt und wieso ein Schmetterlingsschlag eine große Liebe auslösen kann.

Das Feuerwerk an optischen Effekten, Soundideen, Überblendungen und Special Effects, das Jaco Van Dormael dabei abbrennt, ist fulminant. Obwohl der Film ein halbes Dutzend Lebens-Varianten von Nemo erzählt, verliert der Zuschauer nie den Überblick - und die Leidenschaft. Mr. Nobody ist nicht nur filmisches Experiment, wie wir es eher aus dem koreanisch-japanischen Raum kennen, die Geschichte bricht einem auch das Herz, weil sie sich viel Zeit nimmt für die emotionalen Höhepunkte in Nemos Leben, für seine Liebe zu Anna, seinen Schmerz über Elise - und sein Mitleid für sich selbst als kleinen Jungen, der sich bei der Trennung der Eltern entscheiden musste, ob er bei Mama oder Papa bleiben will.

In seiner wilden Lust an parallelem Erzählen sieht der Film aus, als habe ihn ein junger Bilderstürmer gedreht. Dabei ist Jaco Van Dormael ein Mittfünfziger, der nur wenige Filme gedreht hat. Einer davon hieß Toto, der Held und handelte von einem alten Mann, der sich daran erinnert, ein kleiner Junge gewesen zu sein.

In Mr. Nobody sagt Nemo als alter Mann zu dem ihn interviewenden Journalisten: Sie sehen mich als Greis, aber ich bin nicht mal 15 Jahre alt... und dann verschwindet er in seinen Erinnerungen.

Später wird er in den Erinnerungen des kleinen Jungen verschwinden, der sich das alles nur ausgedacht hat, und sich buchstäblich auflösen. Mr. Nobody legt nahe, dass jetzt noch einmal alles von vorne beginnen könnte. Und nach über 2 Stunden würde man nichts lieber tun, als diesen Film sofort noch einmal zu sehen.

Thomas Friedrich

B/C/F/D 2009 R & B: Jaco Van Dormael K: Cgristophe Beaucame D: Jared Leto, Diane Kruger, Sarah Polley, Linh Dan Pham, Rhys Ifans