NO MANS LAND

Schlümpfe in Bosnien

Ein satirisches Kammerspiel im Schützengraben

Bosnien 1993: Eine Gruppe bosnischer Soldaten verirrt sich im nächtlichen Neben zwischen den Fronten. Am Morgen geraten sie unter Beschuss, und nur Ciki (Branco Djuric) kann sich lebend in einen Schützengraben retten. Dort trifft er auf den Serben Nino (Rene Bitorajac), der als Kundschafter ins Niemandsland geschickt wurde. Über ihnen pfeifen die Kugeln aus beiden Lagern, was jedoch keinerlei Solidarisierungseffekte freisetzt.
Zunächst einmal nehmen die beiden sich gegenseitig gefangen. Wer sich in Besitz des einzigen Gewehres bringen kann, hat die Macht im Graben und kann den jeweils anderen zu umfassenden Kriegsschuldbekenntnissen zwingen. Die Absurdität der Situation wird dadurch verschärft, dass Cikis schwer verwundeter Kamerad Cera (Filip Sovagovic) auf einer sogenannte Springmine liegt. Eine falsche Bewegung Ceras würde alle anderen mit in den Tod reißen.
Die weiße Flagge wird gehisst und die Hilfe der UNO angefordert. Die Kommandanten der UNPROFOR setzen aber auch hier auf das bequeme Prinzip der Nichteinmischung. Deshalb versucht ein französische Sergeant (Georges Siatidis), gefolgt von einer britischen TV-Journalistin (Katrin Cartlidge), den Konflikt im Niemandsland auf eigene Faust zu schlichten. Innerhalb kürzester Zeit wird daraus ein Medienspektakel, das in die ganze Welt übertragen wird.
Mit bitterböser Ironie entwirft der bosnische Regisseur Danis Tanovic eine satirische Parabel auf den Krieg in seiner Heimat. Während sich Kollegen wie Ridley Scott ( Black Hawk Down ) und John Woo ( Windtalkers ) ins naturalistische Schlachtengemetzel stürzen, entwirft Tanovic ein Kammerspiel im Schützengraben, das ohne Hubschraubergeknatter und Granatenhagel auskommt. "Der Krieg, das ist eine Geistesverfassung", sagt Tanovic. Er weiß, wovon er spricht. Schließlich hat er drei Jahre lang an der Front in Sarajewo als Armeeberichterstatter die Gräueltaten des Bosnienkrieges dokumentiert. Gerade deshalb muss er den Krieg fürs Kino nicht neu erfinden.
Auf engstem Raum entlarvt Tanovic die Absurdität und die tödliche Gefahr des Konfliktes und zeigt, was Krieg in den Köpfen der Menschen anrichtet. Er führt die Vorurteilsstrukturen seiner Landsleute ebenso vor wie das Versagen der vermeintlich neutralen UNO-Politik. "Schlümpfe" nennen die Einheimischen die Blauhelme, die mit ihren schicken, weißen Panzerwagen tatenlos durchs Krisengebiet tuckern.
Tanovics Humor ist oft an der Grenze zum Zynismus angesiedelt. Die kluge Kriegsatire wurde zurecht im letzten Jahr mit dem Auslandsoscar ausgezeichnet. Schon allein die tragische Intensität des Schlussbildes hätte einen sicheren Platz im Gedächtnis der Filmgeschichte verdient.

Martin Schwickert

F/B/GB/Slowenien 2001 R&B: Danis Tanovic K: Walther Vanden Ende D: Branko Djuric, Rene Bitorajac, Filip Sovagovic, Katrin Cartlidge