NOTORIOUS B.I.G.

Schleier der Verklärung

Der Hardcore-Rapper als netter Familienvater

Ich werde einmal berühmt" sagt der Junge auf dem Schulhof. "Du bist zu fett, zu schwarz und zu hässlich" gibt ein Mitschülerin argwöhnisch zu bedenken und irrt sich damit gewaltig. Knapp fünfzehn Jahre später ist Christopher Wallace unter dem Pseudonym Notorious B.I.G. zum bekanntesten Rapper der Ostküste aufgestiegen. Sein Debütalbum "Ready to Die" wird 1994 auf Anhieb mit Platin veredelt und drei Jahre später ist Wallace tot, erschossen in Los Angeles, aus einem vorbeifahrenden Auto heraus - eine weitere tödliche Zuspitzung in einem Konflikt, der zwischen Hip-Hoppern der Ost- und Westküste entbrannt war und PR-Getöse wie Plattenerlöse enorm in die Höhe schnellen ließ. Ein halbes Jahr zuvor war der Westküsten-Rapper Tupac Shakur erschossen worden.

George Tillmans Musikerbiografie Notorious B.I.G. konzentriert sich im Gegensatz zu vielen Dokumentationen nicht auf die blutigen Konflikte in der Hip-Hop-Szene, sondern versucht ein privateres Bild von "Biggy" zu zeichnen, der in Brooklyn als Sohn einer alleinerziehenden Mutter aufwächst. Das Muttersöhnchen ist ein bisschen übergewichtig, aber ein heller Kopf. Als Jugendlicher erkennt er bald, dass man im Drogengeschäft das schnelle Geld machen kann. Aber als die Mutter (Angela Bassett) eine Schüssel Koks unter seinem Bett entdeckt, wirft sie den Jungen raus.

Parallel zum Dealer-Dasein rappt Wallace (Jamal Woolard) auf der Straße und schlägt in den Vers-Gefechten die größten Angeber mit seinen harten "lyrics" in die Flucht. Als Sean "Puffy" Combs (Derek Luke) ihn bei seinem Plattenlabel "Bad Boy Entertainment" unter Vertrag nimmt, stellt er ihn vor die Wahl: Dealer oder Musiker. Wallace entscheidet sich für letzteres und steigt in kürzester Zeit zum Rap-Star auf.

In Sachen Liebe führt Wallace ein eher unstetes Leben, setzt früh mit seiner Jugendfreundin Jan (Julia Pace Mitchell) ein Kind in die Welt, heiratet die R&B Sängerin Faith Evans (Antonique Smith), bleibt aber auch außerehelich recht aktiv. Dennoch setzt Regisseur Tillman alles daran, Wallace als einen Kerl mit einem goldenen Herzen zu zeichnen. Dem Töchterchen auf dem Schoß trichtert er nicht ohne Ironie ein, dass sie es sich nie gefallen lassen dürfe, wenn jemand "bitch" zu ihr sagt.

Ein wenig weich gezeichnet kommt dieses Musikerporträt daher, das kurz vor seinem Ableben aus "Biggy" doch noch einen verantwortungsvollen Familienvater machen will. Der Schleier der Verklärung des Todes liegt über dem Film, der von Wallace Mutter und Sean Combs koproduziert wurde.

Die Diskrepanz zwischen seinem sanften privaten Wesen und der knallharten Hip-Hop-Lyrik vermag der Film nicht aufzulösen. Die Verbindung zwischen der sozialen Realität, in der Wallace aufgewachsen ist, und der Musik, die er gemacht hat, bleibt schemenhaft. Da haben Filme wie 8 Mile oder Get Rich or Die Tryin 'von Eminem und 50 Cent deutlich bessere Arbeit geleistet - aber die sind ja auch noch beide am Leben.

Martin Schwickert

USA 2008 R: George Tillman Jr. B: Reggie Rock Bythewood, Cheo Hodari Coker K: Michael Grady D: Angela Bassett, Derek Luke, Jamal Woolard