OI! WARNING

Knaben-Pogo

Und jetzt alle: Gewalt ist shit!

Es ist schwer, sich mit einem Erstlingswerk anzulegen, das bereits auf acht Festivals ausgezeichnet wurde, darunter mit dem "Filmpreis des DGB" auf dem Internationalen Filmfest Emden. Wagen wir's dennoch.

Zwei Jahre haben die Brüder Dominik und Benjamin Reding ihren Film vorbereitet, fünf Drehbuchentwürfe geschrieben, hunderte von Castings durchgeführt und mit Axel Henschel einen wirklich souveränen, technisch brillanten Kameramann gefunden, der ihren (in Dolby Digital vertonten) Film in gute Schwarzweiß-Bilder umsetzte. Das hat einen Haufen Geld gekostet (fast 900.000,- DM). Aber Deutschland ist Filmförderland, sieben regionale Fördertöpfe, von Hamburg bis Baden-Baden, vom "Kommunalverband Ruhrgebiet" bis zum SWR, sicherten die Finanzierung. Wenn man ganz kurz fundamental und ungerecht werden wollte, könnte man sagen: Film-Kunst in Deutschland sieht immer so aus, als müßte sie fürchterlich gefördert werden ...

Es geht um Skins. Oder auch nicht. Eigentlich geht es nur um einen etwas verzogenen Rotzlöffel (natürlich heißt er Janosch), der seiner Mutter die Scheckkarte klaut und nach Dortmund zu seinem Freund abhaut, der Skin ist (natürlich heißt er Koma). Da lernt er saufen, prügeln, Kameradschaft und wie man die Mädels auf den Rücken legt. Dann lernt er einen etwas verlotterten Punk kennen (jetzt alle festhalten: natürlich heißt er - na? - bingo: Zottel; und das nach fünf Drehbuchentwürfen!). Janosch kriecht mit Zottel in die Koje, weiß nun also wirklich nicht mehr, wo vorne und wo hinten ist, und muß sich, das ist seit dem TV-"Kommissar" selig so, schließlich entscheiden. Denn Koma will Zottel verkloppen.

Die Reding-Brüder (Ex-Architekturstudent der eine, Ex-Archäologiestudent der andere) haben sich Mühe gegeben, brav alle Probleme heranwachsender Knaben abzuarbeiten. Erwachsene sind verständnislos, Mädels haben auch Rechte, Gewalt ist Shit und Jonglieren besser als Boxen. In zum Teil unterträglich pädagogischen Parallel-Montagen bezieht Oi! Warning penetrant Position. Wir sehen Komas Freundin glücklich das Treppenhaus hochlaufen, sie weiß jetzt, dass sie schwanger ist. Und gleichzeitig steigt Koma tief in den Keller seiner Skin-Burg hinab, um Finsteres zu planen. Da kriegt die Theaterpädagogin vor Aufregung feuchte Hände ...

In oft überscharfen Schwarzweiß-Bildern versenkt sich der Film absichtsvoll in eine Ästhetik, die sehr an Leni Riefenstahl erinnert. Dabei fehlt es ihm an visuellen Ideen: Wenn Koma wirklich wütend und verzweifelt ist, boxt er auf einen Sandsack ein, draußen, im Hinterhof, mit nacktem Oberkörper. Und natürlich muß es dabei wie wild regnen.

Über Skins lernen wir, dass sie's gern hart mögen, saufen wie die Löcher und ihre T-Shirts ordentlich Kante auf Kante im Kleiderschrank aufbewahren. Aus den Skins keine Neonazis gemacht zu haben, ist die einzig bemerkenswerte Leistung des Films. Als Halbstarke sind sie eh nur Statthalter, vor vierzig Jahren wäre Koma wahrscheinlich mit Horst Buchholz besetzt worden. Außerdem ging es den Redings ganz offensichtlich um die Faszination, die von Cliquen ausgeht, nicht um ein politisches Statement.

Am Ende sitzt Janosch heulend vor einem brennenden Wohnwagen und hält Zottel im Arm. Pogo-Land ist abgebrannt? Viel schlimmer. Es steht unter sozialpädagogischer Zwangsverwaltung. Kein Wunder, dass da Rebellion aufkommt. Aber das wäre ein anderer Film.

Thomas Friedrich

D 1999. R & B: Dominik & Benjamin Reding. K: Axel Henschel. D: Sascha Beckhaus, Simon Goerts, Sandra Borgmann. 90 Min.