»THE OPPOSITE OF SEX«

Chaos in der Kleinstadt

Junge Mädchen machen nix wie Ärger

In den meisten Fällen sind allmächtige Off-Kommentare der beste Garant für Langeweile, allzu oft wird geschwätzig erklärt, was Regie und Drehbuch nicht in Bild und Dialoge fassen können. Zu Beginn von Don Ross' hochamüsanter Komödie The Opposite of Sex warnt die Erzählerin eindringlich: "Falls Sie zu den Leuten gehören, die Filme nicht ausstehen können, wo ständig einer im Hintergrund quasselt und kommentiert und am Ende sagt: Nach diesem Sommer war ich nicht mehr dieselbe, dann muß ich leider sagen: Sorry, Sie sitzen im falschen Film."
Es lohnt sich dennoch zu bleiben, gerade wegen des allgegenwärtigen Kommentars. Die Stimme aus dem Off gehört Dedee (Christina Ricci) - eine skrupellose Teenager-Göre, die dem Leben mit zynischer Abgeklärtheit entgegentritt und es bestens versteht, ihren Lolita-Charme gewinnbringend einzusetzen. Nach dem Tod des verhaßten Stiefvaters verläßt sie das Elternhaus und quartiert sich bei ihrem Halbbruder im fernen Indiana ein. Bill (Martin Donavan) ist Anfang Vierzig, schwul und grenzenlos gutmütig. Keinen Moment zögert der High School-Lehrer, die verlorene Schwester aufzunehmen. Binnen weniger Wochen hat Dedee das Leben ihres Bruders komplett verwüstet. Sie spannt ihm den langjährigen Lover Matt (Ivan Sergej) aus, leert den Tresor, klaut die Urne mit den sterblichen Überresten von Bills großer Liebe und hängt dem unschuldigen Lehrer ein Klage wegen Verführung Minderjähriger an. Um seinen Ruf in der überschaubaren Kleinstadt zu retten, begibt sich Bill auf die Suche nach der flüchtigen Dedee, die vorgibt von dem zur Heterosexualität konvertierten Matt schwanger zu sein. Begleitet wird Bill dabei von seiner Freundin Lucia (Lisa Kurow), die ebenso ausdauernd wie vergeblich in den ehemaligen Geliebten ihres an AIDS verstorbenen Bruders verliebt ist.
Mit leichter Hand fegt Don Ross in seinem unterhaltsamen Regiedebüt alle Kategorien politisch-sexueller Korrektheit vom Tisch. Ob Männlein oder Weiblein, ob homo-, hetero- oder gar-nicht-sexuell - alle bekommen ihr Fett weg, sticheln einander in wunderbar spitzzüngigen Wortgefechten oder werden von der Off-Kommentatorin niedergebügelt. Dabei spielt Regisseur Don Ross, der sich bisher ausschließlich als Drehbuchautor ( Weiblich, ledig, jung sucht ... ) verdingte, gekonnt mit den Konventionen des Genres. Immer wenn die Geschichte in vorhersehbare Richtungen schlägt, ist Dedee als Erzählerin zur Stelle, um die Erwartungshaltung des Publikums mit sarkastischen Kommentaren zu durchkreuzen. Christina Ricci ist als Miststück mit unschuldigem Augenaufschlag glänzend besetzt, und trotz aller Turbulenzen hat Don Ross seine angenehm verwirrende Geschichte immer gut im Griff.

Martin Schwickert