DAS ORANGENMÄDCHEN

Zweimal Liebe

Die Verfilmung eines Jostein Gaarder-Romans nimmt einige Abkürzungen

Zum 16.Geburtstag überreicht die Mutter dem Sohn einen Umschlag. "Für Georg. Von Papa." steht darauf und drei weitere durchnummerierte Kuverts befinden sich darin.

Elf Jahre ist der Vater, der an einer unheilbaren Krankheit litt, nun schon tot und Georg will sich nicht an ihn erinnern. "Vorbei ist vorbei" sagt er, aber die Heftigkeit seiner Reaktion und die Bilder der Beerdigung, die in seinem Kopf auftauchen, zeigen, dass die Wunden des Verlustes noch längst nicht verheilt sind.

Mit seinem Teleskop reist Georg während der Osterferien in den verschneiten Norden, um einen Kometen am ungetrübten Himmel über den norwegischen Gebirgen zu beobachten.

Während er mit Skiern und Rucksack von Hütte zu Hütte wandert, beginnt er die Briefe des Vaters zu lesen.

Darin findet sich ein Vermächtnis der besonderen Art: eine Liebesgeschichte, die der Vater erlebt hat, um eine Frau, die er in der Straßenbahn mit einer Tüte Orangen auf dem Arm traf.

Überall in der Stadt sucht er nach der geheimnisvollen Frau, die ihn zu kennen scheint, findet und verliert sie immer wieder und reist ihr sogar bis ins spanische Sevilla nach.

In seinem Roman Das Orangenmädchen verschränkte der norwegische Autor Jostein Gaarder ( Sofies Welt ) im Grunde zwei Liebesgeschichten miteinander.

Die eine erzählt vom Abenteuer des Verliebens zwischen einem Mann und einer Frau. Die andere von der Liebe eines Vaters zu seinem Sohn. Gleichzeitig verbinden sich hier zwei gegenläufige Stimmungen, weil der Vater in seinen Briefen im Angesicht des Todes dem Sohn vom Glück des Lebens berichtet.

Kein leichter Stoff für eine Verfilmung und viel Raum für falsche Sentimentalitäten. Zumindest in diese Falle tappt die norwegische Filmemacherin Eva Dahr nicht, die die mehrsträngige Erzählung weitgehend schmalzfrei inszeniert.

Wie ein Märchen lässt sie das Aufeinandertreffen des Vaters mit der blauäugigen Apfelsinenfrau aussehen und verleiht der Liebesgeschichte einen surrealen Touch.

Dabei bleibt der Vater als zentraler Erzähler allerdings viel zu blass, erstarrt die vermeintlich geheimnisvolle Frauenfigur in Märchenfeeklischees. Wirklich greifbar wird die eifrig beschworene große Liebe hier nicht.

Vielleicht liegt das daran, dass Dahr die Vorlage, in der allerhand lebensphilosophische Grundlagen verhandelt werden, auf eine zweifache Lovestory heruntergebrochen hat. Während der Vater in seinen Briefen von den eigenen Liebesnöten berichtet, beginnt sich auch der Sohn zögernd in der Schneehüttenenge einem Mädchen zu öffnen, das mit einigen Freunden auf derselben Wanderstrecke unterwegs ist.

Diese Parallelität der Entwicklung führt dann geradewegs zu einem psychologischen Erlösungsmodell, das den Geist der deutlich tiefgründigeren Vorlage allzu sehr simplifiziert.

Martin Schwickert

N/D/SP 2009 R: Eva Dahr B: Axel Helgeland, Andreas Markusson K: Harald Paalgard D: Annie Dahr Nygaard, Mikkel Bratt Silset, Harald Thompson Rosenstrøm