»OTHELLO«

Mohrenwäsche

Versuchen Sie bitte für 15 Minuten, nicht an gelbe Bären zu denken. Nicht! Danke.

Und suchen Sie in diesem Film nicht den sprichwörtlichen Mohren. Obwohl Laurence Fishburn mit oft freiem Oberkörper und stets kahlem Schädel einen beeindruckenden Schwarzen gibt. Und obwohl der echte Othello, über den Shakespeare vor ein paar hundert Jahren eines seiner berühmtesten und adaptiertesten (Schauspiel, Oper, 6 x Film, Spiel ...) Stücke schrieb, nur ein Hörfehler war: der Beiname des venezianischen Seehelden war "Moro", was wir heute eher als "Blackbeard" ins Piratenhafte ziehen müßten, um es angemessen zu verstehen. Und um die politisch äußert unkorrekten Türkenwitze aus Othello und "Othello" in den richtigen Hals zu kriegen.
Welche Farbe hatten übrigens die Bären, an die sie gerade nicht dachten?
Der Marine-Kommandant Othello also, bärbeißig, rüpelhaft aber hochdekoriert, heiratet heimlich die vom Abenteuer erregte Tochter eines Stadtratsherren - und befördert, keiner weiß warum, einen schnieken Schnösel zum Adjutanten. Statt des mit Degen und Zunge zwar geschickten Kenneth Branagh, der aber seinerseits, keiner weiß warum, seine Militärkarriere bisher eher auf dem "treu, redlich und ergeben"-Bein abriß. Weshalb Theaterregisseur Oliver Parker, der als Schauspieler unter dem Graf des Grauens Clive Barker anfing, sichtlich Schwierigkeiten hat, den Schleimer, den Schelm und den Satan in einen "Jago" zu bringen.
Dafür glaubt der O. dem J. bald, wenn auch ungern, daß die schöne Desdemona (die wunderschöne und patente Irène Jacob) ein Verhältnis mit dem Bruder des Regisseurs hat. Ehrlich: Cassio, der Schnösel, ist Nathaniel Parker, und mit Anna Patrick verheiratet, die wiederum Jagos Ehefrau spielt. Honi soit qui mal y pense. Oder an gelbe Bären.
Alle reden echt-shakespearesch bis zum Anschlag, vom modernsten deutschen Übersetzer Frank Günther exklusiv für die lippengenauen Synchronerfordernisse überarbeitet - und die Wucht brummt: der Übergang von hoher Rede vor dem Rat zum losen Maul im Casino klappt - der schlimme Schalk spricht fließend, fluchend, aber auch gebunden in die Kamera, uns zum Komplizen seiner Mödergrube machend - und Fishburne selbst, Othello, der hier mehr zu sagen hat als auf üblichen Bühnen (Parkers Textschnitte sind fast so gut wie seine Debüt-Regie), kommt sogar nachgesprochen noch toll 'rüber, als Held mit Herz aber ohne Verstand. Außerdem kommt im ganzen Film nicht einmal die Farbe der Eifersucht vor. Und kein einizger Bär.
Daß aber mindestens könnte auch Theater-Hasser an dieser O.-Geschichte freuen: wie thrillerhaft der Böse auf der Verdachtsklaviatur spielt, wie Jago, der eigentliche Star, brilliert, intrigiert, improvisiert, den Stachel der Verleumdung in das Herz der Edlen senkt ... und noch das Meser an der eigenen Kehle zur Waffe wider seine Feinde umquatscht. Ein Fest der Falschheit. Sehenswert.
Auch wenn als Film nur eine talentierte Anfänger-Arbeit: ausgesprochene Beschreibungen durch Körpersprache zu ersetzen ("Nun mach schon" etwa durch ein Kinnstrecken) ist gelungen - aber erzählte Vergangenheit mit Rückblenden zu unterlegen ("wie ich einmal im Krieg ganz toll aussah") ist eher platt - und Othellos Eifersuchtsattacken mit einem Häckselschnitt aus D.-Busen und C.-Schenkeln zu illustrieren ("Hat sie? - mit ihm? - und wie?") hat etwas - hrrrm: wirksam - Spekulatives ...
Und auch der sittliche Nährwert ist so begrenzt wie ewig: Es gibt Ekel. Eifersucht ist gelb. Wer einen Schnösel einem Spötter vorzieht, ist selber Schuld. Einmal einen Bären im Kopf, immer einen Bären im Kopf. Das Gute siegt nie, aber das Böse kommt wenigstens als Zweiter um (5 Leichen im Bild). Frauen haben ein Recht auf Sex. Neger sind sexy. Wenn ich Emma Thompson wäre, würde auch ich mich von Kenneth Branagh scheiden lassen. Und jeden Film ansehen, in dem er auch nur am Rande mitspielt.
Und ab sofort dürfen Sie wieder an Bären beliebiger Farbe denken. Auch wenn es verbotenerweise bestimmt viel lustiger war.

WING