»GREY OWL«

Falscher Indianer

Pierce Brosnan spielt Greenpeace für Richard Attenborough

Ein alter Indianerhäuptling steht vor dem Apachen Pierce Brosnan, wirft einen langen prüfenden Blick auf den Helden und bricht dann in schallendes Gelächter aus, woraufhin der ganze Stamm mit einfällt. Genau so waren die Reaktionen des Kinopublikums, als ich zum ersten Mal den Trailer zu diesem Film sah, der uns glauben machen will, Mr. Bond sähe auch nur entfernt wie eine Rothaut aus. Bestimmt würde niemand die blauen Augen und das akzentfreie Englisch bemerken, dachte sich wahrscheinlich das Studio.
Zum Glück verhält es sich nicht ganz so peinlich. Die Frage, warum ausgerechnet Brosnan in Winnetous Fußstapfen tritt, wird schon bald mit dessen britischer Vergangenheit beantwortet, und die Suche nach seiner Identität, der sich das letzte Drittel des Films widmet, gehört zu seinen spannendsten Facetten. Vorher bekommen wir Political-Correct-Kino in Reinform serviert, dass es schmerzt. Brosnan spielt den Indianer Archie Grey Owl, den letzten seiner Art sozusagen, der durch die malerische Wildnis stapft und dabei kluge Sätze über die Natur ablässt, die etwa das Niveau von Kalenderblattsprüchen besitzen. Natürlich kann das nicht so weitergehen, deswegen wird ihm eine Frau an die Seite gestellt, die er selbstredend nur widerwillig annimmt, aber schließlich ebenso selbstredend zu lieben lernt. Diese und zwei gaaaanz süße Biberbabys überzeugen ihn davon, wie wichtig es ist, die Natur zu erhalten und Vegetarier zu werden. Also schreibt er ein Buch und zieht um die Welt, um es allen vorzulesen.
Spätestens hier wird klar, womit wir es bei Grey Owl zu tun haben: Kino mit Botschaft - pädagogisch extrem wertvoll. Regisseur Richard Attenborough versäumt es auch nicht, Wald und Wiese gewinnbringend in Szene zu setzen. Verschneite Berggipfel, tiefe Täler, niedliche Tiere - der Film ist eine einzige Postkarte. Schöne Fotos, aber nichts, das wirklich bewegt. Seltsamerweise werden die Bilder im verregneten England sehr viel ansprechender durch die kontrastreichen Farben, die Dynamik fahrender Eisenbahnen, einfach, weil etwas los ist.
Naturschutz, Respekt und ein globales Umweltbewußtsein sind die Werte, die der Film propagiert. Insofern ist er insbesondere für Kinder sehenswert, nicht zuletzt wegen der Naturaufnahmen und dieser gaaaanz süßen Biberbabys. Wer aber in der Erwachsenenliga spielen will, sollte seine Botschaft mit einem weniger tiefen Griff in die Klischeekiste darbieten.

Matthias Grimm