»PALMETTO«

Malen nach Zahlen

Schon wieder vergeigt: Schlöndorff dreht einen Krimi

Wenn Regisseure des "Neuen Deutschen Films", deren Tiefsinnskino in den 90ern beim Publikum nicht mehr so recht ankommen mag, in die Midlife-Crisis geraten, gehen sie gerne zu therapeutischen Zwecken für ein paar Filme in die USA. Literaturverfilmer Volker Schlöndorff erlitt mit seinem filmischen Come-Back Der Unhold vor zwei Jahren verdientermaßen Schiffbruch. Mit seinem neuen Film Palmetto wirft er nun allen Ansprchsballast über Bord und erfüllt sich mit einem "Film Noir" einen lang gehegten Jugendtraum. Hinfort mit deutschem Literatenschwermut, hinein ins amerikanische Genrekino. Sex and Crime gibt's nicht daheim. Amiland ist Krimiland - das weiß Volker Schlöndorff genauso wie der Brite René Raymond alias James Hadley Chase, dessen in den USA angesiedelter Roman "Dumme sterben nicht aus" hier als Vorlage diente.
Im Zentrum der Geschichte steht ein "Losing Hero": Zwei Jahre hat Harry Barber (Woody Harrelson) unschuldig im Knast gesessen, und als er nach Palmetto im feucht-warmen Florida zurückkehrt, verhindert sein beschädigtes Gerechtigkeitsempfinden eine erfolgreiche Resozialisierung. Seine Frau Nina (Gina Gershon) nimmt ihn zwar wieder in Haus und Bett auf, aber das diffuse Gefühl, sich an der Welt rächen zu müssen, verhindert, daß Harry wieder in sein normales Leben zurückkehrt. Harry ist ein Mann von durchaus bescheidener Intelligenz, und so wundert man sich nicht, daß er in eine Geschichte hineingerät, die einfach schief gehen muß. Eine ruchlose Blondine (Elisabeth Shue) mit Motorjacht und dickem Geldbündel in der Handtasche setzt mit ein paar Hüftschwüngen Harrys Restverstand außer Kraft und heuert ihn für eine fingierte Entführung ihrer Stieftochter an. Den steinreichen Ehemann gilt es zu schröpfen, und der simple Plan hat selbstverständlich einige Haken und Ösen, die Harry beträchtlich in Schwierigkeiten bringen. Wenig später fährt er mit einer Leiche im Kofferraum durch die Gegend und ahnt, daß er wieder einmal auf der Verliererseite gelandet ist. Die Dinge verkomplizieren sich, weil sein einziger Freund, der Bezirksstaatsanwalt John Renick (Tom Wright) ausgerechnet ihn zum Polizeipressesprecher für diesen Entführungsfall ernennt.
Eigentlich hätte Palmetto durchaus das Zeug zu einem brauchbaren Genrefilm: Die Story der Romanvorlage vermischt Altbewährtes und Neuvariiertes recht clever miteinander. Die Kamera des österreichischen Werbefilmers Thomas Kloss begegnet den verschwitzten Schauplätzen in Florida mit erfrischender Neugier, und mit Elisabeth Shue, Woody Harrelson, Gina Gershon und Michael Rappaport hat Volker Schlöndorff ein ansehnliches Ensemble engagieren können. Trotzdem vergeigt Schlöndorff sein Krimi-Debüt, weil ihm jegliches Gespür für das Timing der Story fehlt. Wenn die Geschichte im letzten Drittel endlich heißläuft und eine überraschende Plotwendung die andere ablöst, hat man schon längst das Interesse an dem Fortgang der Ereignisse verloren. Elisabeth Shue wurde als Femme Fatale völlig fehlbesetzt und ist trotz allem lasziven Getue etwa so geheimnisvoll wie ein Glas fettarme H-Milch. Eine verdiente Bitch-Darstellerin wie Gina Gershon ( Bound , Face Off ) wiederum bleibt in der Rolle der harmlosen Ehefrau völlig unterfordert. Schlöndorff ist allzu brav bemüht, die Gesetze die Genres zu bedienen und schafft es dabei in keiner Weise, einen eigenen Stil zu entwickeln. Das ist ein wenig wie "Malen nach Zahlen". Alles wird nach Anleitung ordentlich ausgemalt, aber irgenwie will es dann doch nicht aus wie ein Van Gogh aussehen. Wenn man ganz gemein werden will, vergleicht man Palmetto einfach mit L.A. Confidental oder The Big Lebowski oder dem neuen Tarantino, und schon sieht Schlöndorffs Film wie eine Erstklässler-Arbeit aus.

Martin Schwickert