»PANTHER«

Da geht's lang

Ein Agit-Hip-Hop-Stück von Mario van Peebles

Der Cop, ein Weißer, fährt im Schrittempo an einem schwarzen Jungen vorbei, formt seine Finger zu einem Colt und drückt ab. Wenige Minuten später ist der Junge wirklich tot. Er stirbt bei einem ganz normalen Autounfall an einer Kreuzung, an der in diesem Jahr schon sieben andere Kinder umgekommen sind.
Es sind oft wenig spektakuläre Ereignisse, die den Stein ins Rollen bringen - für ihn, so erklärt der Erzähler aus dem Off, sei dies die Geburtsstunde der "Black Panther" gewesen.
Man wundert sich schon ein wenig, daß erst jetzt, fast dreißig Jahre, nachdem die "Black Panther Party for Self Defence" gegen den Rassismus des weißen Establishments mobil gemacht hat, diese Geschichte in die Kinos kommt. Aber in den USA tobt so etwas wie ein Historikerstreit, in dem konservative Geschichtsschreiber versuchen, die berühmt-berüchtigten "Sixties" als historischen Irrtum herunterzuinterpretieren. Auch im US-Kino wird um die Wahrheit gefochten. Mit Überlänge und Breitwand-Format beackerte Oliver Stone in JFK und Nixon die politischen Skandalmythen jener Jahre, Spike Lee entwarf mit Malcolm X ein Heldenepos, das an den militanten Kampf der schwarzen Bürgerrechtsbewegung erinnerte. Weniger spektakulär - und außerhalb der Hollywood-Studios produziert - betreibt auch Mario van Peebles' Panther schwarze Geschichtsschreibung auf der Leinwand.
Die Gründung der Black Panther-Bewegung geht auf Bobby Seale (Courtney B. Vance) und Huey Newton (Marcus Chong) zurück. Zunächst wirkt das ganze wie eine bürgerrechtsbewegte Jugendgang. Agitiert wird auf dem Basketball-Court zu einer Zeit, in der das noch nicht "Streetball" hieß. Eine gewaltlose Demonstration auf besagter Kreuzung wird von den Cops brutal zusammengeprügelt, im Gefängnis beschließen die Aktionisten, sich fortan zu bewaffnen. Sie berufen sich dabei auf Artikel 2 der amerikanischen Verfassung, der jedem Bürger das sichtbare Tragen einer Waffe zugesteht. Das Geld für die Waffen kommt originellerweise aus dem Verkauf von Mao-Bibeln: Für ein paar Cents in Chinatown erworben, verscherbeln die Panther die Worte des "Großen Vorsitzenden" im benachbarten Berkley an die politisch bewegten weißen Kommilitonen. Durch ihr ebenso entschlossenes wie martialisches und immer legales Auftreten wird die kleine Partei schnell zu einer breiten Bewegung, die sich Respekt zu verschaffen weiß. Wenn die Panther mit geschulterten Gewehren, schwarzen Lederjacken und Barrets auf dem Kopf ins Capitol einreiten, um ihre Forderungen vorzulegen, ist das so etwas wie die legale Version der Erstürmung des Präsidentenpalastes.
Mit zunehmender Popularität steigt auch die Repression gegen die Aktivisten. Der übermächtige FBI-Chef J. Edgar Hoover erklärt die Partei zum "Public Enemy Number One" und zerschlägt die Organisation Stück für Stück. Spitzeleinsatz, Intrigen, "Infights", die Rädelsführer werden ins Gefängnis gesteckt oder gleich vor Ort erschossen. Die Basis der Bewegung wird, so van Peebles Sicht der Dinge, durch eine Verschwörung von Mafia und FBI mit dem gezielten Einsatz harter Drogen in den schwarzen Ghettos handlungsunfähig gemacht.
Regisseur Mario van Peebles ( Posse ), dessen Vater Melvin - ein Pionier des Modern Black Cinema - für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, macht nie einen Hehl aus seiner parteilichen Sicht auf die Geschichte. In einigen Dialogpassagen wird die Message ein wenig zu aufdringlich und altklug formuliert ("Mann, Du bist auch nur Teil des Systems"), und die inneren Widersprüche der Bewegung werden ebenfalls angetippt. Trotzdem ist Panther keine verklärende Heldensaga, sondern eher ein Agit-Hip-Hop-Stück. Der Sound jener Jahre wird gesampelt und neu aufgepeppt, Schnitt und Rhythmus der Bilder wirken zum Teil wie ein Musikvideo. Die Haltung des Films ist die eines Hip Hop-Virtuosen, der mit dem Finger auf uns zeigt und ohne Umschweife mal eben klar macht, was Sache ist und wo es lang zu gehen hat. Daß das Ganze sich am Ende zu sehr reimt - wen wundert's, wen stört's?

Martin Schwickert