Paradies Hoffnung

Eine neue Erde

Ulrich Seidl beendet seine "Paradies"-Trilogie mit einem freundlichen Film

Was jetzt in drei Teilen vorliegt, war mal ein ganzer Film, ein fünfstündiger "Koloss", so Ulrich Seidl, bei dem sich die Geschichten ständig gegenseitig im Weg waren.

Aufgeteilt in Paradies Liebe, Paradies Glaube und Paradies Hoffnung stehen sich die drei Teile weniger im Weg als dass sie ein Ganzes ergeben, das in allen drei Filmen gar nicht vorkommt. Erfüllung ist in Seidls Universum eigentlich nicht vorgesehen, allein die Sehnsucht nach einem ewigen Glückszustand (vulgo: Paradies) bewegt seine Figuren, und auch im dritten Teil Paradies Hoffnung geht es darum, dass das Scheitern am Objekt nicht das Ende der Sehnsucht bedeutet.

Während die biblische Reihenfolge die Liebe als die Stärkste der drei Mächte beschreibt, ist es bei Seidl die Hoffnung: Melanie, eine übergewichtige 13jährige, verliebt sich im Diät-Camp in den dortigen Arzt. Der schäkert zwar mächtig mit ihr herum, aber den letzten Schritt wagt er nicht, und als er merkt, dass dieser Schritt jetzt unmittelbar folgen müsste, will er panisch die Beziehung zu Melanie abbrechen: "Du wirst mich nicht mehr besuchen, du wirst mich nicht mehr anschauen." - "Warum?" - "Weil es so ist!".

All das spielt vor der absurden Kulisse professioneller Fettverbrenner, die ihre Klientel bei Regen durch den Wald scheuchen, an Kletterwänden abhängen lassen und beim Essen auf die Größe der Portionen achten.

Zum witzigen Grundton des Films gehört es, dass die Kinder diese martialischen Übungen vollkommen gelassen über sich ergehen lassen und dabei ignorieren. Das Thema Dicksein wird unter den Jung-Moppeln nie angesprochen. Sie lassen die Bemühungen der Gesellschaft, sie nach deren Schönheitsbild zu formen, stoisch über sich ergehen und kichern sich durch Gespräche über Oralsex und ob man sich deshalb da unten rasieren sollte oder nicht. Paradies Hoffnung ist der unschuldigste, der freundlichste der drei Seidl-Filme. Die fröhliche Hektik des ersten und die laute Hysterie des zweiten Teils weichen hier einer freundlichen Ironie, einer weltgelassenen Heiterkeit, in der die jetzige und große Liebe zwar in Tränen endet. Aber es ist keine Frage, dass die nächste Liebe kommen wird und besser sein wird als diese.

Das ist die Hoffnung.

Dass alle vier Mädchen in Melanies Camp-Zimmer nebenbei erzählen, dass sie Scheidungskinder sind, gehört zum subtilen Witz dieses Trilogie-Abschlusses, der auch seine beiden Vorgänger in ein sanfteres, freundliches Licht taucht und alle drei miteinander verschränkt, wie man es nicht für möglich gehalten hätte. Auch weil nach diesem Teil klar ist, dass alle drei Teile zur gleichen Zeit stattfinden, wird man sich das alles noch einmal am Stück anschauen wollen. So wie Seidl es ursprünglich geplant hatte.

Thomas Friedrich

Ö/D/F 2012 R: Ulrich Seidl B: Ulrich Seidl, Veronika Franz K: Wolfgang Thaler, Ed Lachman D: Melanie Lenz, Joseph Lorenz, Michael Thomas