PARIS, PARIS

Fröhliches Künstlervölkchen

Eine harmlose Sozialstudie (und ein extrem dummer deutscher Titel)

Mit Die Kinder des Monsieur Mathieu schuf Christophe Barratier einen der größten Hits des französischen Wohlfühlkinos. Darin erzählt er von einem gutmütigen Musiklehrer, der sich entgegen der pädagogischen Gebräuche der 50er-Jahre mit der Kraft der Musik die Herzen der schwer erziehbaren Internatsschüler erobert. Auch in seinem neuen Film bedient sich Barratier einer rauen historischen Kulisse, um den unbestechlichen Humanismus seiner Figuren umso deutlicher herausarbeiten zu können.

Im Paris des Jahres 1936 bündeln sich die politischen Widersprüche der Vorkriegszeit. Wirtschaftskrise, Arbeitskämpfe, faschistische Versammlungen, der Wahlsieg der linken Volksfront und der Schatten des nahenden Weltkriegs bestimmen den Alltag im Arbeiterviertel Faubourg. Mittendrin im zeitgeschichtlichen Strudel versucht sich ein kleines Varieté-Theater zu behaupten. Der Direktor hat sich am Silvesterabend das Leben genommen, weil er die Schulden an den mafiosen Miethai nicht mehr bezahlen kann. Die Belegschaft wird gekündigt, darunter auch der gutherzige Bühnenarbeiter Pigoil (Gérard Jugnot), dessen Frau auch noch mit dem Star des Ensembles durchbrennt. Als sich im Frühjahr 1936 die Kollegen des Musiktheaters "Chansonia" zusammentun, um den Laden in Eigenregie neu zu eröffnen, ist das für Pigoil auch die einzige Chance das Sorgerecht für seinen geliebten Sohn zurück zu bekommen.

Von Bob Fosses Klassiker Cabaret bis zu Baz Luhrmanns Moulin Rouge - die Anleihen, die Barratier in der Filmgeschichte macht, sind vielfältig. Im cineastischen Retortenversuch schafft er aus den Zutaten ein historisches Märchenland, in dem sich das kleine Theater als Oase der Liebe und Solidarität in der großstädtischen Wüste aus Habgier und Gewalt behauptet.

So übersichtlich die filmemacherische Botschaft, so verworren kommt allerdings die mehrsträngige Handlung daher. Allein die eigens komponierten Chansons halten den Film zusammen und nisten sich wohlgefällig im Ohr des Publikums ein.

Martin Schwickert

Faubourg 36 F 2008 R: Christophe Barratier B: Christophe Barratier, Julien Rappeneau K: Tom Stern D: Gérard Jugnot, Clovis Cornillac, Nora Arnezeder