PAYCHECK


Gegen das Schicksal

John Woos HollywoodEinsätze sind immer noch sehr verhalten

Streichhölzer, Büroklammer, Lupe, Feuerzeug, Haarspray, Kreuzworträtsel - verschiedene Alltagsgegenstände liegen zu einem großen Fragezeichen formiert auf dem Hotelbett. Ein Aktienpaket im Wert von 92 Millionen Dollar hat Michael Jennings (Ben Affleck) gegen einen Umschlag mit neunzehn scheinbar nutzlosen Dingen eingetauscht. Und er hat keine Ahnung, warum er das getan hat. Jennings hat ein Zeitloch im Kopf. Drei Jahre seines Lebens wurden ausradiert - im gegenseitigen Einverständnis zwischen dem gelernten Computer-Ingenieur und einer dubiosen Hightech-Firma, die die Erinnerung an ihre geheimen Forschungen ehemaligen Arbeitnehmern auf der Hirnfestplatte löscht.
So einfach ist das im Jahr 2007, in der Welt des Science Fiction-Autors Philip K. Dick. Dessen düstere Visionen - geschrieben in den 50er und 60er Jahren - dienten schon als Vorlage für Blade Runner, Total Recall und Minority Report. Ähnlich wie in Minority Report muss Ben Affleck gegen ein vorherbestimmtes Schicksal antreten.
John Woo lässt viel Retroappeal einfließen und durchtränkt die Story mit Hitchcock-Reminiszenzen. Wenn Affleck vor der nahenden U-Bahn davonläuft, imitiert die Szene Kamerawinkel und Schnittrhythmus von Cary Grants historische Flucht vor dem Tiefflieger (in North by Northwest). In anderen Szenen grüßen Birds und Rear Window aus dem Bildhintergrund.
Seit zehn Jahren arbeitet John Woo nun schon in Hollywood, und wenn man seine Hongkong-Filme wie A Better Tomorrow, Killer und Hard Boiled im Kopf hat, wirkt alles, was er in den USA gedreht hat, immer noch wie ein müder Kompromiss. Woo ist in die Staaten gegangen, um sich vom Actionkino zu lösen. Aber Hollywood wollte immer nur das eine von ihm und hatte gleichzeitig Angst vor seinen mörderisch-furiosen Kampfballetts, deren Stil US-Kollegen oft und vergeblich kopierten. Paycheck ist eine Auftragsarbeit. Woo sprang für Rush Hour-Regisseur Brat Ratner ein und hat versucht, die Geschichte zu seiner eigenen zu machen. Irgendwann flattern auch hier als Signatur ein paar Tauben durchs Bild und die Rückblenden erstrahlen in schönstem Woo-Blau.
Die Science Fiction-Elemente wurden zurückgefahren, die Action-Szenen gestrafft. Woo konzentriert sich auf den Suspense-Gehalt der Story und verteilt anhand der neunzehn Umschlaggegenstände seine Denksportaufgaben.
Woo war immer eher ein Bildermacher als ein Geschichtenerzähler und wirkt auch deshalb im plotfixierten Hollywood-Betrieb so verloren. Da hilft es wenig, wenn eine Liebesgeschichte zur Fermentierung beigefügt wird. Uma Thurman spielt die Frau an der Seite des Helden und darf erst viel zu spät zeigen, was sie in Kill Bill gelernt hat.
Über das schauspielerische Vermögen von Ben Affleck wird seit Pearl Harbor gerne gewitzelt. Aber als ahnungsloser Held mit unverwüstlicher Cary-Grant-Tolle ist er zumindest gut besetzt. An dem Versuch, einen Mann zu spielen, der sich an seine Liebe zu Uma Thurman nicht erinnern kann, muss auch Affleck scheitern. Ohnehin wünscht man sich, dass Uma die Sache endlich in die Hand nimmt, ihren Ben auf den Sozius schnallt und der Zukunft zeigt, was eine Harke ist. Aber bis dahin ist es wohl noch ein weiter Weg - für John Woo und für Hollywood.

Martin Schwickert
USA 2003 R: John Woo B: Dean Georgaris nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick K: Jeffrey L. Kimball D: Ben Affleck, Aaron Eckhart, Uma Thurman, Paul Giamatti