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Perfect Sense

Laut und Gefühllos

Eine seltsame Seuche beraubt die Menschen aller Wahrnehmungen und Emotionen

Menschen sinken auf offener Straße zusammen und beginnen zu weinen, werden überwältigt von einem unerklärlichen Gefühl abgrundtiefer Trauer. Danach ist ihr Geruchssinn für immer verschwunden.

In rasantem Tempo breitet sich die Seuche auf der Erde aus. Es sei kein Virus und auch nicht ansteckend, sagen die Fachleute und tappen im Dunkeln. Die Umweltaktivisten vermuten einen gentechnischen Super-GAU, die Prediger eine gerechte Strafe Gottes.

Die Epidemologin Susan (Eva Green) und der Chefkoch Michael (Ewan McGregor) lernen sich im schottischen Glasgow beim Ausbruch der Seuche kennen. Aber das, was sie zögern lässt sich aufeinander einzulassen, ist nicht die Furcht vor möglicher Ansteckung, sondern Bindungsangst.

Derweil entwickelt sich die Seuche weiter, wobei immer wieder auf eine extreme Emotion, der Verlust eines Sinnes folgt. Nach panischen Angstzuständen und Fressattacken geht als nächstes der Geschmack verloren. Nach einer kurzen Phase des Schocks gehen die Menschen weiter zur Arbeit und arrangieren sich mit der Situation. In der Restaurantküche lässt sich Michael Esskreationen einfallen, die statt auf Geschmack auf Farben und Geräusche abgestimmt sind, und auch seine Beziehung zu Susan findet angesichts der rasanten Veränderungen zu einer neuen Intensität.

Aber als Wutanfälle über die Menschen hereinbrechen, denen der Verlust des Hörsinns folgt, droht der Zusammenbruch der sozialen Ordnung, und auch die beiden Liebenden werden durch die eigenen aggressiven Ausfälle auseinander getrieben.

Mit Perfect Sense entwirft der britische Regisseur David Mackenzie (Young Adam) einen stimmungsvollen Science Fiction-Film, der ohne große Effektspektakel eine eindringliche Wirkung erzielt. Was bleibt von einer Gesellschaft, was bleibt von den Menschen, wenn ihnen die Wahrnehmungsfähigkeiten sukzessive entzogen werden? Der Frage geht der Film mit einem äußerst plastischen Setting nach, das seine apokalyptische Vision sehr nah an den gegenwärtigen Zustand der Welt heranbaut.

Wie 27 Days Later zeigt Perfect Sense, dass man nicht unbedingt ein riesiges Budget braucht, um ein interessantes Zukunftsszenario glaubwürdig auf die Leinwand zu bringen. Der allmähliche Verlust der Sinne wird hier aufgrund der cleveren visuellen Auflösung auf fast schon verstörende Weise sinnlich fassbar. Bilder wie die von der globalen Fressattacke brennen sich nachhaltig ins filmische Gedächtnis ein. Aber auch die Liebesgeschichte, die in ihren Höhen und Tiefen den nahenden Verlust mitlebt, findet ihren eigenen Ton und mit Ewan McGregor und Eva Green ein ansehnliches Leinwandpaar, dem man bereitwillig in die Apokalypse folgt.

Martin Schwickert

GB 2011 R: David Mackenzie B: Kim Fupz Aakeson K: Giles Nuttgens D: Ewan Mc Gregor, Eva Green