DIE PERLMUTTERFARBE

Unschuldige Kinderspiele

Das Nazireich aus anderer Sicht

Das Farbfläschchen rollt langsam über den Küchentisch und ergießt sich in die Schultasche. Darin liegt das kostbare Buch, das Alexander (Markus Krojer) seinem Mitschüler Karli aus der B-Klasse weggenommen hat. Das Buch ist hin. Da klopft Karli schon an der Tür und in Panik wirft Alexander den Band in den Ofen.

Ein brennendes Buch ist kein gutes Omen im Deutschland der Dreißiger Jahre, wo bald noch viele Bücher auf dem Scheiterhaufen landen werden.

Aber davon, von der großen, düsteren Historie, hält sich Die Perlmutterfarbe gezielt fern. Obwohl die Geschichte in der Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus angelegt ist, sieht man keine Hitlergrüße, Hakenkreuzfahnen oder SA-Uniformen.

Wie schon in Wer früher stirbt ist länger tot hält Regisseur Rosenmüller den Fokus auf die Sphäre kindlichen Erlebens. Die Perlmutterfarbe beruht auf dem gleichnamigen Roman, den Anna Maria Jokl zwischen 1937 und 1939 im Prager Exil verfasst hat.

In ihrem "Kinderroman für fast alle Leute" beschreibt sie detailliert die psychologische Dynamik einer Schulklasse, die sich mit der verfeindeten Parallelklasse erbitterte Gefechte liefert und sich unter der Führung eines Mitschülers zum totalitären Mikrokosmos entwickelt.

Ausgangspunkt ist Alexanders Malheur mit der Farbe und dem verbrannten Buch, das ihn zur Lüge zwingt und für den Intriganten Gruber (Benedikt Hösl) zum erpressbaren Helfershelfer werden lässt.

Ganz nah und ohne didaktische Zudringlichkeiten blickt Rosenmüller auf die Gewissenkonflikte seines jungen Helden. Dabei ist eine gewisse Seelenverwandtschaft zu Dennis Gansels Die Welle unübersehbar.

Aber während sich Gansel seiner Zielgruppe mit hipper Jugendkulturästhetik angedient hat, setzt der bekennende Heimatfilmer Rosenmüller auf die historische Verortung in einer bayrischen Kleinstadt der Dreißiger Jahre, wo die Abenteuer noch auf einem alten Zechengelände und nicht an der Spielkonsole gesucht wurden.

Einziges Manko ist dabei der bayrischen Dialekt, der für Kinder nördlich des Mains das Verständnis ziemlich erschweren wird.

Martin Schwickert

D 2008 R: Marcus H. Rosenmüller B: Marcus H. Rosenmüller, Christan Lerch nach dem Roman von Anna Maria Jokl K: Torsten Breuer D: Markus Krojer, Dominik Nowak, Zoë Mannhardt