ALL DIE SCHÖNEN PFERDE

Der Fremde

Ein richtiger Cowboy hat keine Heimat

Stephen Frears stilisierte in seinem verkannten Nach-Western Hi-Lo-Country das langsame Sterben der Cowboy-Ideale nach dem Zweiten Weltkrieg, und auch Billy Bob Thorntons All die schönen Pferde ist in dieser Zeit angesiedelt. John Grady Cole (Matt Damon) ist auf der Ranch seines Großvaters in Texas aufgewachsen. Nach dessen Tod verkauft die Mutter die geliebte Scholle an eine Ölgesellschaft und zieht dem Sohn damit buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Mit seinem Freund Lacey (Henry Thomas) reitet John Richtung Mexiko über den Rio Grande der Sonne und der Freiheit entgegen. Hier liegen die Haziendas wie Oasen der Zuflucht in leergeräumten Landschaften, und das Vieh wird noch im guten alten Stil durch die Weiten der Prärie getrieben.
Das Marlboro-Paradies in der Fremde ist von kurzer Dauer. John verliebt sich in die wohlhabende Ranchertochter Alejandra (Penélope Cruz) und macht Bekanntschaft mit dem starren Normgefüge des mexikanischen Landadels. So sehr sich John dem traditionellen Cowboy-Lifestyle verpflichtet fühlt, in der vorehelichen Liebeslebensführung frönt er modernen Wertmaßstäben. Ärger liegt tonnenschwer in der Luft. Schließlich wird der Traum von Freiheit und Abenteuer in einem mexikanischen Zuchthaus zum Kampf auf Leben und Tod.
Wehende Pferdemähnen im Morgenlicht, sanft kreisende Lassos und glühende Viehbrandzeichen - alle Western-Klischees werden erst einmal penibel vorgeführt, bevor die dramatische Handlung in die Idylle einbricht. All die schönen Pferde ist ein Film über die Sehnsucht nach verlorenen Traditionen und die Suche nach Heimat. Das sind schwülstige Themen, die Thornton zurückhaltend in Szene setzt. Ganz ohne Heldenpathos spielt Matt Damon den jungen Gringo, dem das Leben auf der anderen Seite der Grenze über den Kopf wächst. Bis zur Halbzeit dominieren die stimmungsvollen Zwischentöne die Erzählung. Danach stürzt sich der Film kopfüber in dramatische Wechselbäder und verliert sich im Labyrinth der eigenen Handlung. Penélope Cruz und Matt Damon können sich gleich hinter dem Pearl-Harbor-Couple Ben Affleck und Kate Beckinsale in lange Liste dysfunktionaler Leinwandliebespaare eintragen. Nach dem abrupten Einbruch der Gewalt im mexikanischen Gefängnis findet der Film nicht wieder zu seinem Rhythmus zurück. Dem überstürzten Handlungsgalopp folgt schließlich ein Happy End, das sich etwas ratlos über die Grenze in seichten Hollywoodpatriotismus flüchtet.

Martin Schwickert

All The Pretty Horses USA 2001 R: Billy Bob Thornton B: Ted Tally nach dem gleichn. Roman von Cormac McCarthy K: Barry Marcowitz D: Matt Damon, Henry Thomas, Penélope Cruz