PIGS WILL FLY

Charmeur und Schläger

Warum Männer prügeln

Laxe (Andreas Schmidt) ist Streifenpolizist. Grüßend und lächelnd stolziert der schlaksige, charmante Kerl in seiner Uniform durchs Märkische Viertel im Norden Berlins. Keine Spur von "Bulle". Seine Frau Manuela (Kirsten Block) arbeitet im Supermarkt um die Ecke. Gemeinsam trödeln die beiden nach Feierabend an den Regalen entlang. Ein Kollege empfiehlt zum Fisch eine Flasche Saale-Unstrut und legt salopp seinen Arm um Manuelas Schulter. Man sieht wie sich Laxes Blick verdüstert und der Körper verhärtet. Man sieht auch die Angst in Manuelas Augen und die Unsicherheit, mit der sie dieser harmlosen, freundschaftlichen Geste begegnet. Später alleine im Auto haut Laxe wütend auf das Lenkrad ein und spuckt Kraftausdrücke gegen die Windschutzscheibe. Zu Hause explodiert er, macht Manuela eine Eifersuchtsszene und prügelt sie krankenhausreif. Und das nicht zum ersten Mal.

Wenn es im Kino um Gewalt gegen Frauen geht, regiert die Opferperspektive. Das ist politisch korrekt und vor allem bequem. In der Regel werden die Täter zu Monstern stilisiert, womit die alltägliche Gewalt zum abnormen Sonderfall wird. Eoin Moore macht es sich weniger einfach. Er bleibt dran am Mann.

Zur ehelichen Gewalt gehört das Ritual der Versöhnung: Schon am nächsten Tag beim Besuch im Krankenhaus sind Laxe und Manuela wieder eine verschworene Gemeinschaft. Aber Laxes Chef will nicht mehr über die Gewaltexzesse hinwegsehen und suspendiert ihn vom Dienst. Um "etwas hier oben im Kopf klar zu kriegen" setzt sich Laxe zu seinem Bruder nach San Fransisco ab. Walter ist damals abgehauen, weil der Vater die Mutter und die Kinder regelmäßig misshandelt hat.

Moore entblättert diese gewalttätige Familiengeschichte nach und nach in Nebensätzen, versucht die Psychologie des Schlägers zu erklären, ohne dessen Taten damit zu entschuldigen. Zunächst scheint es, dass sich Laxe im lockeren kalifornischen Klima von seinen alten Mustern befreit. Er bändelt mit Walters Mitbewohnerin Inga an, die sich nach der Nachtschicht einfach zu ihm ins Bett legt. Haltlos driftet die junge Deutsche von einem Job zum nächsten. Laxe beginnt "ein bisschen Struktur" in ihr Leben zu bringen, baut ein Regal für ihr Zimmer und forstet die Stellenanzeigen durch. Aber Inga wehrt sich gegen seine Bevormundungsversuche und langsam schleichen sich Laxes Gewaltstrukturen auch in diese neue Beziehung ein.

Andreas Schmidt gelingt es, die Psychologie des Täters fassbar zu machen. Sein Laxe ist im Grunde ein sympathischer Kerl - und gerade deshalb so gefährlich. Laxe der Charmeur und Laxe der Schläger sind untrennbar miteinander verbunden. Pigs Will Fly ist ein Film mit vielen Schwächen. Die grobkörnige Digitalästhetik wirkt oft störend und wird der Intimität der Szenen nicht gerecht. Die Umsiedlung nach San Fransisco bekommt der Geschichte nicht. Aber letztlich überzeugt Moores Film durch seine mutige Perspektive und die Ernsthaftigkeit, mit der er sein Thema verfolgt.

Martin Schwickert

D 2002 R&B: Eoin Moore K: Bernd Löhr D: Andreas Schmidt, Thomas Morris, Laura Tonke, Kirsten Block