Pioneer

In der Tiefe

Ein Thriller um den Ölboom in Norwegen vor 40 Jahren

Anfang der 1970er Jahre wurden vor der Küste Norwegens große Öl- und Gasvorkommen entdeckt. Deren Erschließung ließ Norwegen von einem der ärmeren Länder Westeuropas zu einem der reichsten der Welt werden. Der auf wahren Begebenheiten beruhende Politthriller Pioneer des norwegischen Regisseurs Erik Skjoldbjærg beschäftigt sich mit jenem Zeitpunkt, in dem die Weichen für Norwegens Zukunft gestellt wurden.

Die Brüder Petter und Knut sind Berufstaucher. Sie arbeiten für die norwegische Regierung. Die will das vor ihrer Küste liegende Öl und Gas nicht mehr wie bisher nach Großbritannien leiten, sondern mit neuen Pipelines an die eigene Westküste bringen. Pipelines, die von Tauchern in einem Seegraben von mindestens 250 Metern Tiefe erst noch verlegt werden müssen. Nur ist bisher noch kein Mensch so tief getaucht.

Mit einem Spezialistenteam um den in der Offshore-Ölförderung erfahrenen Amerikaner Ferris trainieren die Brüder für die gefährliche Arbeit. Sie testen auch neuartige Sauerstoff-Gas-Gemische, die Tauchgänge in dieser Tiefe überhaupt erst möglich machen. Beim letzten Probetauchgang kommt es zu einem Zwischenfall, der Knut das Leben kostet. Ein tragischer Unfall heißt es offiziell. Petter kann sich damit aber nicht abfinden. Er forscht nach und stößt auf Ungereimtheiten. Anscheinend versucht jemand mit aller Macht etwas zu vertuschen.

Man könnte die Taucher, die in den 1970er Jahren für Norwegen in den Tiefen der Nordsee Pipelines verlegten mit Fug und Recht Pioniere nennen, betraten sie doch wirklich Neuland. Pioneer zeigt dies in eindrucksvollen Bildern. Die enorme Anspannung, die auf den Tauchern lastet, wird beinahe körperlich spürbar. Das Leben hängt von der (hoffentlich funktionierenden) Technik ab, und nur die Scheinwerfer der Tauchglocke bringen ein wenig Licht in die völlige Finsternis am Meeresgrund.

Regisseur Skjoldbjærg, dessen Thriller Todesschlaf die Vorlage für Christopher Nolans Remake Insomnia war, inszeniert seinen Thriller sachlich. Beinahe dokumentarisch zeigt er, wie die Taucher auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Der Retro-Look überzeugt, dient er doch der Geschichte. Die Maschinen sind klobig und einzig auf Funktionalität ausgelegt. Das verleiht dem Film visuelle Authentizität.

Bei der Thrillerhandlung hat Skjoldbjærg allerdings so seine Schwierigkeiten. Sie mäandert von Ereignis zu Ereignis vor sich hin, ohne dabei rechte Spannung zu entwickeln. Übertrieben unruhig agiert dabei die Kamera. Die Auflösung erfolgt knapp und unspektakulär. Wirklich stark ist die Schlussszene in ihrer Ambivalenz. Man sieht wie eine Bohrinsel von Schleppern durch einen Fjord aufs Meer gezogen wird. Eine neue Epoche ist angebrochen. Eine, die auch mit kalter Rücksichtslosigkeit erkauft wurde.

Olaf Kieser

Pionér Nor/D/S/F/Fin 2013 R: Erik Skjoldbjærg B: Nikolaj Frobenius, Hans Gunnarsson, Cathinka Nicolaysen, Erik Skjoldbjærg, Kathrine Valen Zeiner K: Jallo Faber D: Aksel Hennie, Wes Bentley, Stephanie Sigman, Stephen Lang. 111 Min.