Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten

Störfaktor

Auch der vierte Teil der Krawall-Serie lebt von der somnanbulen Präsenz von Johnny Depp

Wenn eine Filmtrilogie in Hollywood über 2,7 Milliarden Dollar eingespielt hat, dann muss noch einmal nachgelegt werden. Der Piratenfilm war schon mehrfach die Todesurkunde ausgestellt worden, als sich Kracher-Produzent Jerry Bruckheimer 2003 des altmodischen Genres annahm. Aus einem Disney-Themenpark entstand mit Fluch der Karibik das moderne Update des Seeräuberfilmes, das nostalgisches Flair mit digitalen Effekten und laut dröhnender Action kreuzte.

Das Rezept ging auf - auch wenn sich das Publikum nicht wie vorgesehen in Orlando Blum und Keira Knightley verliebte, sondern in Johnny Depp, der die Nebenfigur des Captain Sparrow im leicht angetüdelten Modus zum Publikumsliebling aufsteigen ließ.

Über die Story von Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten gibt es - wie in den Vorgängerfilmen - nicht viel zu erzählen. Als Sparrow in London seiner alten Flamme, der Piratenbraut Angelica (Penélope Cruz), begegnet, landet er mit ihr auf dem Schiff des gefürchteten Seeräubers Blackbeard (Ian McShane), der auf der Suche nach der sagenumwobenen Quelle der Jugend ist. Sparrows alter Rivale Hector Barbossa (Geoffrey Rush) nimmt diesmal als Abgesandter der englischen Königin die Verfolgung auf.

In einer standesgemäß halsbrecherischen Fluchtsequenz zeigt Regisseur Rob Marshall, der das Regiezepter von Gore Verbinski übernommen hat, gleich zu Beginn, dass er mit der aufwändigen Choreografien der Vorgängerfilme mithalten kann. Marshall hat sich mit Musical-Verfilmungen wie Chicago oder Nine einen Namen gemacht und kann diese Erfahrungen zumindest in den zahlreichen Fechtchoreographien einbringen.

Er folgt in Fremde Gezeiten dem bewährten Franchise-Konzept, das sich nicht lange mit raffinierten Plotkonstruktionen herumplagt und das Publikum im gefühlten 10-Minuten-Rhythmus mit ausgedehnten Kampf- und Actionszenen bei der Stange hält.

Dazwischen dürfen Johnny Depp und Penélope Cruz, die hier Keira Knightley als Quotenfrau ersetzt, mit und ohne Degen umeinander schnurren. Auch wenn Cruz sich optimal ins maritime Setting einfügt, hätte man ihre Figur der Piratenbraut weitaus origineller zur ernstzunehmenden Gegnerin ausbauen können.

Als echter Besetzungscoup erweist sich Ian McShane, der die rabenschwarze Seele seines Bösewichtes genussvoll ausspielt. Dennoch bleibt es letztendlich Johnny Depps Aufgabe, das dröhnende Piratenspektakel zu erden und mit seinen schwebenden, tänzelnden, schrägen Auftritten dem durchkalkulierten Unterhaltungsprodukt zumindest ein wenig menschliche Unberechenbarkeit zu verleihen.

Martin Schwickert

Pirates of the Caribbean: On Stranger Tides USA 2011 R: Rob Marshall B: Ted Elliott, Terry Rossio K: Dariusz Wolski D: Johnny Depp, Penelope Cruz, Geoffrey Rush, Ian McShane, Gemma Ward, Judy Dench, Keith Richards