POLNISCHE OSTERN

Beichtgänger

Jakob Ziemnicki kämpft mit Klischees gegen Stereotype

Henry Hübchen hat es irgendwie schwer erwischt. Er ist ganz vernarrt in seine siebenjährige Enkelin, seelisch gezeichnet vom kürzlich erlittenen Verlust seiner Tochter und ihrer Mutter, und völlig überfordert von diesem jungen Polen, der plötzlich als Vater auftaucht, um sein Kind mitzunehmen. Der Pole ist ja ganz nett, aber man kann doch das Kind nicht in die Walachei weggeben! Man muss aber, weil das Jugendamt kein Einsehen hat.

Der verbitterte Bäcker aus Rendsburg holt zum Gegenschlag aus. Er fährt zu einem Überraschungsbesuch nach Polen, plant, mit einer Videokamera die bestimmt wenig kindgerechten Zustände zu dokumentieren, und seine Mathilda zurück zu holen.

Die ersten Erfahrungen jenseits der Grenze sind seltsam. Er kriegt ein Knöllchen für Langsamfahren und darf die Strafe vor Ort abbeten, bei einem Streifen-Pfarrer. Er macht sich lächerlich, weil er sein altes Auto überall mit einer Parkkralle sichert, auch wenn um ihn herum teure Nobelschlitten stehen. Er wird freundlich empfangen, aber Mathildas Familie haust bei der Großmutter, weil das eigene Haus ein Kreditproblem hat. Zwielichtige Gestalten tragen Baumaterialien weg, aber eine patente Ärztin, die Mutter des Kindesentführers, führt interessante Kulturanbahnungsgespräche und bringt den erklärten Atheisten ans Tanzen.

Offensichtlich soll der Fremde aus Deutschland lernen, dass im unübersichtlichen Polen alles ganz anders ist. Es kommt zu tragikomischen Verwicklungen in den alltäglichen Katholizismus, inklusive Nottaufe in der Spülschüssel, aber auch zu bösem Zwist, als das polnische Jugendamt Mathilda aus der unzumutbaren Bruchbude ins Heim verlegt. Das wollte der Retter nun auch nicht.

Was genau der Regisseur wollte, geht im Hin und Her unter. Schön, dass er die meisten Klischee-Witze atmosphärisch ins Absurde abbiegt. Nicht so schön, dass Henry Hübchen im Handumdrehen vom Anti-Katholiken zum Beichtgänger werden muss. Vollends misslungen sogar, dass noch eine Intrige folgt, nachdem der Opa aus dem Westen am Ostersonntag radebrecht, er habe hier eine neue Familie gefunden. Da traute wohl das Buch dem freundlichen Kitsch nicht und machte ihn mit ein paar Volten zu viel endgültig unglaubwürdig.

Wing

D/Polen 2011. R: Jakob Ziemnicki B: Katrin Milhahn, Jakob Ziemnicki K: Benjamin Dernbecher D: Henry Hübchen, Paraschiva Dragus, Grazyna Szapolowska, Adrian Topol