PRIVATE

Hausbesetzer

Israelische Soldaten im Haus einer Palästinenser-Familie

Im Niemandsland zwischen einem palästinensischen Dorf in der Westbank und einem israelischen Militärposten steht ein Betonbau. Von außen wirkt das Haus unfertig, innen ist es wohnlich eingerichtet.
Der Literaturprofessor Mohammed lebt hier mit seiner siebenköpfigen Familie. Die Nachbarn aus dem Dorf sagen, sie seien Helden, weil sie trotz nächtlicher Schießereien und regelmäßigen Durchsuchungen das Haus an der Grenze nicht aufgegeben haben. Aber Flucht ist für den Patriarchen keine Option. Als Flüchtling hat man kein Leben, sagt er, und auch als eines Tages die israelische Armee das Haus besetzt, beschließt Mohammed mit seiner Familie zu bleiben. Das obere Stockwerk bauen die Soldaten zum strategischen Stützpunkt aus, der Familie bleibt nur das Erdgeschoss. Nachts werden alle zusammen im Wohnzimmer eingesperrt.
Die Mutter und der jüngste Sohn wollen ihr Heim verlassen. Die jugendliche Tochter fordert ihren pazifistischen Vater zu energischerem Handeln auf. Ihre kleine Schwester ist nach einer nächtlichen Schießerei traumatisiert. Der älteste Sohn folgt heimlich den Aufforderungen der Hamas, die tagtäglich über den Fernsehbildschirm flimmern, und installiert im Garten eine Sprengfalle.
Bewusst im Homevideo-Stil gedreht, nimmt Private die Perspektive der palästinensischen Familie ein. Selbst die nächtlichen Kampfauseinandersetzungen bleiben fast vollkommen im Dunkeln. Auch wenn die Figuren gelegentlich unter den archetypischen Charakterzuweisungen leiden, bindet der Vater, der als Familienoberhaupt, Intellektueller und Pazifist durch die Besatzung seines Hauses mit den eigenen politischen und moralischen Vorstellungen in Konflikt gerät, als Protagonist das Interesse des Publikums. Durch einen schmalen Spalt hindurch zeigt der Film die Besatzer als Menschen, die ihrer repressiven Funktion widerwillig nachgehen.
Man kann dem Film vorwerfen, dass er aus der intimen Konfrontation zu wenig Kapital schlägt. Den Schritt von der stillen Beobachtung hin zu einer gemeinsamen Kommunikation wagen beide Seiten nicht. Aber genau dieses Manko bestimmt die Situation im Nahost-Konflikt: die Eigendynamik der verhärteten Fronten hat alle humanen Impulse weitgehend außer Kraft gesetzt.

Martin Schwickert

It. 2004 R: Saverio Costanzo B: Saverio Costanzo, Sayed Qashua, Camilla Costanzo, Alessio Cremonini K: Luigi Martinucci