Rango

Die Wüste lebt

Ein brillanter Animationsfilm und eine geglückte Western-Hommage

Gerade erst erlebt das Westerngenre mit True Grit sein stilvolles Revival, da bekommen die Gebrüder Coen Unterstützung von einem Chamäleon. Rango heißt die computeranimierte Echse, die ihr Leben in einem Terrarium verbracht hat, bis der Glaskasten vom Umzugswagen rutscht, auf der Straße zerschellt und das Schuppentier in den heißen Wüstensand geschleudert wird.

Bisher hat Rango in Gesellschaft eines Aufziehfisches und einer ramponierten Plastikpuppe auf der Bühne des Terrariums selbst ersponnene Abenteuergeschichten in Szene gesetzt. Jetzt erwartet ihn in der Wüste das echte Reptilienleben in seiner härtesten Form. Dem Orakel eines Gürteltieres folgend landet Rango nach langer Wanderung in Dreck - so nennt sich das heruntergekommene Städtchen, in dem sich die verhärmten Wüstenbewohner um die letzten Wasservorräte scharen. Seit Monaten schon bleibt hier die Leitung trocken, immer mehr Tiere verlassen die Stadt, die Immobilienpreise stürzen in den Keller und auch die Wasserbank, in die die Bewohner jeden übrig gebliebenen Tropfen eingezahlt haben, meldet bankrott an.

Ganz Dreck wartet auf einen Helden, und einem schauspielerisch begabten Großmaul wie Rango, der sieben Ganoven mit einer Kugel erlegt haben will, glauben sie in Krisenzeiten nur zu gern. Schon hat das Chamäleon den Sheriff-Stern auf der Brust und soll in der staubigen Stadt nicht nur für Recht und Ordnung sorgen, sondern sich auch auf die Suche nach dem verschwundenen Wasser machen.

Aus der stetig steigenden Flut der Computeranimationsfilme ragt Gore Verbinskis Rango deutlich heraus. Mit einem sichtbaren Spaß am Genre entwirft der Film sein detailverliebtes Western-Setting: staubige Straßen, stilvoll verrottete Häuser und eine Vielzahl von tierisch schrägen Bewohnern, die bis in die kleinsten Nebenrollen als echte Charaktere modelliert sind. Dabei ist der Held keien leicht zugängliche, knuddelige Identifikationsfigur. Nur langsam entwickelt sich das etwas seltsam anmutende Echsentier zum Sympathieträger, indem es auf spielerische Weise seine in der Einsamkeit des Terrariums entstandenen Persönlichkeitsstörungen überwindet.

Einfach brillant sind die Animationen, mit denen die archaische Westernwelt auf höchstem technischen Niveau zum Leben erweckt wird. Dabei geht es weniger um die rasanten Kamerafahrten, mit denen im Fünfzehn-Minuten-Takt wilde Verfolgungsjagden in Szene gesetzt werden, sondern um die visuelle Poesie, mit der hier etwa der Kontrast zwischen der allgegenwärtigen Trockenheit und dem Sehnsuchtsstoff Wasser ins Bild gefasst wird. Jedes Sandkorn, das durch die Ritzen rieselt, jeder Schatten, der sich auf dem Staub der Straße abzeichnet, wird hier zum kleinen Pixelkunstwerk.

Martin Schwickert

USA 2011 R: Gore Verbinski B: John Logan