REC

Laufen lassen

Zwei Spanier jagen die Blair Witch zum Teufel

Jaume Balaguero und Paco Plaza sind die kommenden großen Namen im Horror-Geschäft. George A. Romero jedenfalls, der Gottvater aller Zombies, verkündete neulich, er habe die Zukunft gesehen und sie spreche Spanisch.

Vor allem redet sie viel. Die erste Hälfte von Rec , dem ersten gemeinsamen Spielfilm von Balaguero und Plaza, besteht aus endlosem Gerede und Gequatsche, immer mitten in die Kamera hinein. Eine junge, aufgekratzte Fernsehmoderatorin besucht mit ihrem Kameramann des Nachts eine Feuerwehrstation, um eine Alltagsreportage "Während Sie schlafen" zu drehen. "Während Sie schlafen?" fragt ein Interviewter witzelnd, "wer soll denn dann zugucken?"

Streng aus der Sicht der Handkamera verfolgen wir die Reporterin durch Schlaf- und Essenssäle, beim Anprobieren der coolen Brandbekämpfungsjacke oder beim Ausprobieren der richtigen Befragungshaltung. "Hängen meine Haare ins Bild? Sollen wir das noch mal machen?". Würde die Kamera nicht zuweilen etwas hektisch wackeln, wir wären längst eingeschlafen.

Dann ruft ein Alarm die Mannschaft zu einem Mietshaus, in dem eine alte Frau scheinbar nicht mehr aus ihrer Wohnung kommt. Aufgeregte Mitbewohner reden in der Eingangshalle des Hauses durcheinander, die Polizei ist auch schon da, die Reporterin wittert eine echte Story und weist ihren Kameramann an, immer weiterzudrehen.

Mit Getöse brechen die Helfer durch eine Tür und finden die alte Frau, blutüberströmt. Die beißt einen ihrer Retter in den Hals, und ab sofort wird neben dem andauernden Gerede auch noch viel geschrien und gerannt.

Die Handkamera wackelt panisch, fällt hin, fällt aus, flackert auf, verliert den Ton und liefert mal die einzige Beleuchtung im zunehmend unübersichtlicher werdenden Geschehen. Draußen haben die Ordnungskräfte inzwischen die Quarantäne verhängt und alle Ausgänge versiegelt. Drinnen entwickelt sich, trotz aller Hektik vergleichsweise langsam, ein Gemetzel zwischen Zombie-Story und Zehn-kleine-Negerlein.

Bemerkenswert dabei ist, wie Balaguero und Plaza mit der künstlichen Beschränkung der subjektiven Kamera umgehen. Die grauslichsten Momente sehen wir gerade nicht, weil zum Beispiel der Kameramann wegläuft. Vieles passiert weit hinten im Bild an der Grenze des Auflösungsbereichs, und wenn das Grauen doch einmal direkt in den Fokus springt, bleibt bestimmt der Ton kurz weg, damit man im Kino die Schreie besser hört.

Gegen solch trickreichen Einsatz des Blair Witch-Effekts fällt die Storyentwicklung deutlich ab. Wissen die Autoritäten draußen, was hier drinnen vorgeht? Werden unsere Gefangenen einen Ausweg finden? Woher kam das Zombie-Virus? Wohin sind eigentlich die vielen Nebenfiguren verschwunden, die in der letzten Atempause noch dringend Wichtiges "im Fernsehen" erzählen wollten? Egal.

Die wilde Jagd tobt durch das Haus und keiner findet Zeit, über die Rolle des Horrors in der Gesellschaftskritik nachzudenken. Arbeiten die Spanier Großstadtängste auf? Sind wir die Zombies, weil sich die Opfer so unmenschlich benehmen? Wird das amerikanische Remake, das sicher kommen wird, logischer und weniger verstörend werden? Auch egal. Rec fetzt.

Wing

Sp 2007 R: Jaume Balaguero, Paco Plaza, B: Jaume Balaguero, Paco Plaza, Luis A. Berdejo, K: Pablo Rosso, D: Manuela Velasco, Ferran Terraza, Jorge Yamam, Carlos Lasarte, Pablo Rosso, Vincente Gil