RHYTHM IS IT!

Freude am Tanz
Hauptschüler tanzen zu Strawinsky

Mister Maldoom, ein dünner, runzliger Mann, steht vor Kindern und Jugendlichen und spricht von der Kraft, ihr eigenes Potential zu erkennen. Auf Englisch. Die Jungen und Mädchen interessiert das nicht wirklich, sie quatschen und kichern. "Mir ist das ziemlich egal, ich mach dann einfach, was der uns sagt", meint ein Junge. An genau dieser Teilnahmslosigkeit arbeitet Royston Maldoom: im Januar 2003 hat er die Herausforderung angenommen, mit 250 Berliner Hauptschülern aus 25 Nationen eine Choreographie einzustudieren. Getanzt wird Strawinskys "Le Sacre du Printemps", dem Stück, das derweil unter dem Dirigentenstab von Sir Simon Rattle mit den Berliner Philharmonikern geprobt wird.
In Rhythm is it!, einem schon im Vorfeld viel beachteten Dokumentarfilm von Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch, geht es um das erste große Education-Projekt der Berliner Philharmoniker. Vordergründig. Während der dreimonatigen Probezeit werden exemplarisch drei Schüler porträtiert, Olayinka, Marie und Martin erzählen von ihrer Lebenssituation, ihren Gefühlen und starten Erklärungsversuche, was ihnen dieses Projekt denn bringen soll. Das wird dann so persönlich, dass man nicht anders kann, als eine Verbindung zu den Jugendlichen aufzubauen - was einem ermöglicht, den Film nicht nur als sachliche Dokumentation, sondern aus vielen verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Und nach und nach festzustellen, wie viel so ein Projekt für einen Hauptschüler aus einem kaputten oder nicht existierenden Umfeld bedeuten kann.
Statt sich auf die Probleme der Schüler zu beschränken, werden auch Sir Simon Rattle und Royston Maldoom vorgestellt. Der eine mit verkorkster Familie und schwieriger Kindheit, der andere als freakiger Schul-Aussenseiter.
Trotz des Drills während der Tanzstunden kommt es allen am wenigsten auf die Aufführung selbst an. Getreu dem Motto "Der Weg ist das Ziel" sammeln die jungen, zunächst komplett ungelenkigen Tanzanfänger während des Trainings Erfahrungen, die sie auch nach der großen Show vor Publikum behalten werden. Gut die Hälfte der Teilnehmer entscheidet sich für einen auf das Projekt folgenden Tanzkurs. Olayinka, der Kriegswaise aus Nigeria, freut sich, so viele Leute kennengelernt zu haben, und Martin, der Eigenbrödler, der sich zuerst überhaupt nicht damit anfreunden konnte, seine Tanzpartner berühren zu müssen ... aber alles soll an dieser Stelle ja nun nicht verraten werden. Es lohnt sich jedenfalls, und im Lichtwerk können Lehrer mit ihren Schulklassen auch Sondervorstellungen buchen.

Michaela Sommer
D 2004. R: Thomas Grube + Enrique Sánchez Lansch. K: Marcus Winterbauer + René Dame. D: Sir Simon Rattle, Royston Maldoom, Martin Eisentraut, Marie Theinert