Der Richter

Vater & Sohn

Der Hybrid aus Familiendrama und Justizthriller leidet an einer grobmotorischen Regie

Hank Palmer (Robert Downey Jr.) ist ein sehr erfolgreicher Rechtsanwalt mit äußerst flexiblen Moralvorstellungen. Wirtschaftskriminelle und finanzstarke Schwerverbrecher gehören zu seinen Stammkunden. Als Zeichen juristischer Überlegenheit pinkelt er dem Staatsanwalt, der ihn auf der Toilette zur Rede stellt, auch schon einmal ans Bein, im wörtlichen Sinne. Aber dann reißt ihn eine Mailbox-Nachricht mitten aus der Prozess-Arena: Die Mutter ist gestorben und Hank fährt seit mehr als zwanzig Jahren wieder in seine Heimatstadt Carlinville, Indiana. Mit dem Vater (Robert Duvall) ist Hank schon lange zerstritten. Für den angesehenen Richter, der auf 42 Dienstjahre bei Gericht zurückblickt, bewegt sich der Sohn, der gegen beträchtliche Honorare Gesetzesbrecher ihrer gerechten Strafe entgehen lässt, auf der anderen Seite der Barrikade.

Joseph Palmer ist ein Mann mit klaren Moralvorstellungen, die er mit einem hohen Maß an Selbstgerechtigkeit vor sich herträgt. Als der Sohn zur Beerdigung anreist, beachtet er ihn kaum. Aber dann steht am Tag danach die Polizei vor der Tür und verhaftet den Vater. Er soll in der Nacht einen Mann überfahren haben und wird nicht nur wegen Fahrerflucht, sondern auch wegen Mordes angeklagt. Der Vater gibt vor, sich nicht an die nächtlichen Geschehnisse erinnern zu können. Die Beweise gegen ihn sind erdrückend. Trotzdem muss Hank nachhaltige Widerstände überwinden, um von seinem Vater das Verteidigungsmandat zu bekommen.

Bisher hat sich Regisseur David Dobkin durch eher flachhumorige Komödien wie Die Hochzeits-Crasher, Die Gebrüder Weihnachtsmann und Wie ausgewechselt hervorgetan. Auch wenn er sich mit diesem hochkarätig besetzten Drama genau auf die andere Seite der Genre-Skala manövriert, bleibt sein Regiestil von einer gewissen Grobmotorik gezeichnet. Mit der gleichen Penetranz, mit der er in seinen Komödien dem Publikum die Pointen unter die Nase gerieben hat, versucht er nun, große Emotionen herauf zu beschwören. Da muss auch schon einmal ein Tornado her, damit Vater und Sohn sich in sturmumtoster Nacht einmal gründlich die Meinung sagen können und die schmerzhafte familiäre Katharsis in Gang kommt. Dabei ist es spätestens nach einer halben Kinostunde mehr als offensichtlich, dass sich hinter der Halsstarrigkeit des Alten verletzte elterliche Gefühle verbergen und die Arroganz des Jungen nur das Ringen um väterliche Anerkennung widerspiegelt.

Aber bis die beiden Männer durch die harte Schale zu ihrem weichen Kern vordringen dürfen, müssen noch tonnenweise Missverständnisse aus dem Weg geräumt und etliche Familiengeheimnisse gelüftet werden. Dass dies teilweise vor Gericht geschieht, steigert den emotionalen Schauwert ins Demonstrative. Immerhin sieht man den beiden Roberts, die sich hier in ihren Komfortzonen richtig austoben können, gerne bei der Arbeit zu. Downey Jr. beweist wieder einmal seine Fähigkeiten als rasanter Sprechakrobat und kann ohne Iron-Man-Anzug auch verletzlichere Seiten zeigen. Der 83jährige Duvall schüttelt die Rolle des garstigen Übervaters souverän aus dem Ärmel, stellt sich darin aber auch der Fragilität des Alters. Kaum auszudenken, was diese beiden Schauspieler mit einem nuanciertem Drehbuch und einer besonnenen Regie zusammen hätten zaubern können.

Martin Schwickert

The Judge USA 2014 R: David Dobkin B: Nick Schenk, Bill Dubuque K: Janusz Kaminski D: Robert Downey Jr., Robert Duvall, Vera Farmiga. 141 Min.