RICKY

Ein seltsames Kind

Francois Ozon mäandert weiterhin munter durch die Stilrichtungen des Erzählkinos

Das Leben der alleinerziehenden Mutter Katie (Alexandra Lamy) ist durch werktätige Tristesse geprägt. Am Morgen wird sie von ihrer achtjährigen Tochter geweckt. Im Bad und beim Frühstück werden nur die notwendigsten Worte gewechselt. Mutter und Tochter sind ein eingespieltes Team. Mit dem Motorroller bringt Katie das Mädchen zur Schule und startet gleich wieder durch Richtung Chemiefabrik, wo sie im weißen Kittel mit Mundschutz und Haube die Verschlüsse der Säureflaschen kontrolliert.

Die Monotonie des Alltags wird durchbrochen als Paco (Sergi Lopez) die Werkshalle betritt. Die Blicke treffen sich, und aus dem Mittagspausen-Quickie auf der Betriebstoilette entwickelt sich eine verlässliche Beziehung. Bald schon ist Katie schwanger und das Baby bringt die Patchwork-Familie enger zusammen. Ein halbes Jahr nach der Geburt nimmt die Mutter die Arbeit in der Fabrik wieder auf und Paco, der im gleichen Betrieb in die Nachtschicht gewechselt ist, kümmert sich tagsüber um das Baby.

Eines Abends entdeckt Katie auf dem Rücken des Kindes blaue Flecken und verdächtigt Paco, den Kleinen geschlagen zu haben, woraufhin dieser empört Frau und Kind verlässt. Aber bald schon schwellen die blauen Flecken zu Beulen an und das ist erst der Beginn einer äußerst ungewöhnlichen Entwicklung des Kindes, von der hier nichts Näheres verraten werden soll.

In Ricky verbindet François Ozon ( Acht Frauen ) harten sozialen Realismus mit einem skurrilen Wundermärchen.

Vollkommen selbstverständlich ist der Übergang von der proletarischen Milieustudie hin zur versponnenen Fantasie, in die christliche Erlösungsmotive mit eingewoben werden. Das Publikum muss selbst entscheiden, wo es die Grenze zur Unglaubwürdigkeit zieht, aus der Geschichte aussteigt oder sie als Wunschtraum kategorisiert. Der Film experimentiert mit seinen Figuren genauso wie mit seinen Zuschauern. Sicherlich ist Ricky kein Meisterwerk, aber auf jeden Fall eine außergewöhnliche Kinoerfahrung, auf die es sich einzulassen lohnt.

Martin Schwickert

F 2008 R&B: François Ozon K: Jeanne Lapoirie D: Alexandra Lamy, Sergi Lopez, Mélusine Mayance