»DER TALENTIERTE MR. RIPLEY«

Der sizilianische Patient

Aufstieg und Fall eines begabten Mannes

Ich hätte mir die Jacke nicht leihen sollen" sagt Matt Damon als Tom Ripley am Anfang im Off. Und am Ende sieht man den Regisseur Anthony Minghella geradezu inszenatorisch seufzen "ich hätte mir diesen Stoff nicht leihen sollen." Spiegeltüren schwingen herum, zeigen Ripley von immer neuen Seiten, und immer sitzt bloß Damon herum und ist am Ende. Dann klappt die Tür ganz zu, die Kamera sitzt im Schrank, die Leinwand ist dunkel, der Abspann läuft: "nach einem Roman von Patricia Highsmith".
Den hat vor 40 Jahren René Clément zuerst verfilmt, und Minghella zeigt bei jeder Gelegenheit, dass er seine Vorläufer kennt. Etwas Chabrol, viel Hitchcock, cleveres Kunsthandwerk von den ersten Titeln bis zum letzten Schnitt. Und alles im Stil der 50er Jahre. Bloß weil das Buch in der Zeit spielt?
Tom Ripley, Klavierstimmer und Toilettenmann in Amerika, erregt als Aushilfs-Pianist auf einer Garden-Party das Interesse eines reichen Herrn. Wegen des geliehenen Club-Sakkos mit Edel-Uni-Emblem. Da müssen sie doch meinen Sohn kennen? Der Arme ergreift die Aufstiegschance der Äusserlichkeit und nickt. Prompt wird er beauftragt, nach Italien zu fahren, um den Spesen verprassenden Sprössling heimzuholen. Ripley tuts und schwindelt sich, zunächst von der Umwelt zum Lügen getragen, die Gesellschaftsleiter hinauf.
Er freundet sich mit dem verlorenen Sohn (Jude Law - sehr energetisch) und dessen Verlobten an (Gwyneth Paltrow - heult besser als beim Oscar); seine vielen Talente, von der Unterschriftsfälschung bis zur Personen-Imitation, erlauben ihm ein Dolce Vita zwischen Jazz-Bars und Jet-Set. Bis er den Millionärs-Sohn umbringt. Teils weil der keine Lust mehr auf die Zecke hat, teils weil Ripleys Auftraggeber die Schecks sperrt, teils weil aus der homoerotischen Romanze nichts wird.
Ripley entfaltet erstaunliche Intriganz, schlüpft in die Haut seines Opfers, verprasst dessen Schecks - und verwickelt sich immer tiefer in seine Vorspiegelungen. Aber es wird kein Krimi.
Auch wenn noch manche Morde folgen, noch einige Vexierspiele mit den zwei Identitäten Ripleys. Bloß nimmt man die Damon nicht ab. Und Minghella verlegt alle möglichen Bedeutungen "hinter dem Plot" an die Oberfläche. Dutzende im Grunde guter Regie-Einfälle nehmen dem Betrachter jede Chance, selbst erst zu entdecken, dass Ripley auf dem Weg nach oben eigentlich alles zerstört, was er liebt. Ausserdem dauern die bildlich ausformulierten Erklärungen einfach zu lange (134 Min.).
Am schönsten dagegen ist der Film, wenn er nichts sagen will. Das Italien des gebürtigen Sizilianers Minghella voller Vespas und Mammas; Gabriel Yareds Musik zwischen Bernhard Hermann und Chet Baker; John Seales ebenso tiefe wie touristische Kamera ... ein Genuss. Aber die Tragödie eines selbst-losen Mannes ermüdet auf diesem gegenwartsfernen Hintergrund noch mehr. Talent allein macht unglücklich, das beweist Minghella am eigenen Beispiel.

WING