ROBIN HOOD

Eine ehrliche Haut

Russell Crowe als letzter Macho räumt für Ridley Scott das mittelalterliche England um

Die Legende beginnt" - mit diesen salbungsvollen Worten und dem Rückzug des Helden samt seiner Mannen in den sagenumwobenen Sherwood Forest hört Ridley Scotts Robin Hood auf. Genau dort, wo die meisten Verfilmungen über das Wirken des englischen Volkshelden eigentlich erst anfangen.

In den letzten zwanzig Jahren war es etwas still geworden um den Strumpfhosenhelden. Vielleicht passte der erdige Gerechtigkeitskämpfer nach dem Siegeszug der New Economy und dem Aufstieg virtueller Parallelwelten im Cyberspace einfach nicht mehr in die kulturelle Landschaft der Global Community. Aber nun meldet er sich pünktlich zur weltweiten Wirtschaftskrise zurück, kraftvoller denn je. Russell Crowe spielt den Flitzebogenmann, und diese Besetzung allein kann schon als Bekenntnis gelten. Der australische Vollblutmime ist in Hollywood einer der letzten echten Machos, dessen Männlichkeit - anders als etwa bei Bruce Willis - vollkommen resistent gegen selbstironische Relativierungen zu sein scheint. Und so ist Crowes Robin Hood kein eleganter Herzensbrecher mit gesetzlosem Sexappeal à la Errol Flynn, sondern ein ganzer Kerl, der tut, was getan werden muss. Der Film setzt ein, als der Steinmetzsohn Robin Longstride mit König Richard Löwenherz (Danny Huston) von den Kreuzzügen zurückkehrt. In Frankreich füllt sich der englische König noch einmal plündernd die Taschen und wird - entgegen der bisherigen Geschichtsschreibung - von einem französischen Koch mit der Armbrust erlegt. Die englische Krone kehrt in den Händen Robin Hoods zurück, der in gestohlener Edelmannskluft mit einer Hand voll Kampfgefährten in London anlegt.

Königin Mutter (Eileen Atkins) trauert, und der neurotische Bruder John (Oscar Isaac) freut sich über die Beförderung zum Staatsoberhaupt. Robin Hood reitet nach Nottingham, um das Schwert eines verstorbenen Ritters zurückzubringen, wird von dessen Vater Lord Loxley (Max von Südow) als Ersatzsohn eingestellt und darf die schöne Schwiegertochter Marion (Cate Blanchett) gleich mit übernehmen.

Eine äußerst pragmatische Form des Kennenlernens hat sich Ridley Scott hier ausgedacht, der ja noch nie ein großer Romantiker gewesen ist. Aber die Konstellation ermöglicht immerhin eine Begegnung auf Augenhöhe zwischen dem Haudegen und der handfesten Kriegerwitwe. Derweil erhöht der neue König die Steuern, der Landadel plant eine Revolte gegen die Krone und die Franzosen drohen mit einer Invasion der britischen Insel. Schwere Zeiten und gute Auftrittsbedingungen für einen ehrlichen Heroen.

Scott inszeniert Robin Hood als satte, kraftvolle und vollkommen ironiefreie Heldensaga, die sich die Historie nach Belieben zurechtbiegt. Ein wenig zu vaterländisch kommt die Figur vielleicht daher und büßt dadurch weite Teile ihres anarchistischen Charmes ein.

Eher traditionell sind auch die filmischen Mittel. Digitale Effekte werden nur punktuell eingesetzt, etwa wenn es darum geht, dem Flug eines Pfeils mit der Kamera zu folgen. Hier überwiegt handfeste Action, die im Finale, wenn es gegen die Franzosen geht, allerdings etwas überdosiert wirkt.

Langweilig wird es in den 140 Kinominuten zwar nie, aber dass Scott uns die Lagerfeuerromantik und das wilde Waldleben im Sherwood Forest fast gänzlich vorenthält, bleibt einfach unverzeihlich.

Martin Schwickert

GB/USA 2010 R: Ridley Scott B: Brian Helgeland K: John Mathison D: Russell Crowe, Cate Blanchett, William Hurt , Max von Sydow, Mark Strong, Danny Huston, Eileen Atkins