ROCKY BALBOA

Massiver Trauerkloß

Der berühmteste Boxer der Filmgeschichte findet kein Ende

Darauf, dass Sylvester Stallone im zarten Alter von 60 Jahren noch einmal als Rocky in den Ring steigt, hat die Welt nicht unbedingt gewartet. In fünf Sequels wurde die Figur des Underdogs, der sich als Boxer den amerikanischen Traum erkämpft, gemolken, bis auch die härtesten Fans um Gnade winselten.
Allen Unkenrufen zum Trotz ist aus dem eitlen Reanimationsverfahren ein recht anständiger Film geworden. Denn Stallone, der hier auch für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnet, versucht erst gar nicht das Alter seines Helden zu verbergen. Fast 70 Filmminuten lang wankt Rocky, der seit dem Tod seiner Frau mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart lebt, als massiver Trauerkloß durch die Handlung, und das Überraschende ist: man schaut ihm gerne dabei zu. In dem tief durchfurchten Gesicht scheint sich jeder einzelne Schlag abgezeichnet zu haben. Der ganze Körper ist in sich zusammen gesunken. Sprache und Gestik wirken schleppend.
Stallone hat lange genug in dieser Figur gewohnt und die Art, wie er sie ins Alter überführt, spiegelt diese intime Vertrautheit wieder. Aber leider ist dem Drehbuchautor Stallone nichts besseres eingefallen, als den alten Knaben wieder in den Ring zu schicken. Ein computersimulierter Kampf zwischen Rocky und dem amtierenden Champion Dixon (Antonio Tarver) wird im Fernsehen zum Quotenhit und die Manager wittern in einem Realfight zwischen den beiden Boxstars eine gute Verdienstmöglichkeit. Schon joggt Rocky wieder im Morgengrauen durch die Stadt, stemmt in staubigen Fabrikgebäuden unglaubliche Gewichte und agiert seine Kraft wie in guten alten Tagen im Schlachthof an rohen Rinderhälften aus. Natürlich gibt niemand ihm eine Chance. Und natürlich wird Rocky im Ring seine Sportlerwürde hammerhart verteidigen.
Somit landet Stallone schließlich doch in der Narzissmus-Falle. Denn im letzten Filmdrittel versinkt die liebevolle Figurenzeichnung und augenzwinkernde Selbstironie geradewegs in peinlichen Omnipotenz-Phantasien.

Martin Schwickert

USA 2006. R&B: Sylvester Stallone K: Clark Mathis D: Sylvester Stallone, Burt Young, Geraldine Hughes 102 Min.