»TEURER ALS RUBINE«

Steinschlag

Die Liebe bei Rabbis

So viele verschiedene Menschen..." begeistert sich Sonia, " ... und soviele schlechte Einflüsse" weist Mendel sie sogleich zurecht. Das junge Paar, das hier ins multikulturelle Brooklyn zieht, lebt in einer eigenen abgeschlossenen Welt. Sonia und Mendel gehören einer chassidischen Gemeinde an - eine besonders strenge Glaubensvariante orthodoxen Judentums. Die Eltern wollten, daß Sonia (Renée Zellweger) ein unauffälliges jüdisches Leben führt und haben sie mit dem jungen New Yorker Rabbiner verheiratet. Die Vorstellungen, was die Frau eines Rabbiners zu tun und vor allem zu lassen hat, sind hier außerordentlich eng, und spätestens seit der Geburt ihres Sohnes droht Sonia am traditionellen Normgefüge zu ersticken. Mendel (Glenn Fitzgerald) ist ein guter Mensch und spricht auch beim Sex von Gott und Thora. Für die Gefühle seiner Frau, die sich in der lustfeindlichen Umgebung zu einer emotionalen Zeitbombe entwickelt, ist Mendel blind.
Einer, der das erkennt, ist Mendels Bruder Sender (Christopher Eccleston). Er bietet Sonia einen Job in seinem Juweliergeschäft an, nicht ohne sie vorher zum Ehebruch zu nötigen. Auch in der chassidischen Gemeinde gibt es Männer, die sich den Luxus einer doppelten Moral leisten. Als Juwelierstochter profiliert sich Sonia schnell in der Welt des halblegalen Edelsteinhandels und freundet sich mit dem Schmuckkünstler Ramon an, der einen deutlich freieren Lebensstil pflegt. Als Mendel von dem zweiten Leben seiner Frau erfährt, reicht er die Scheidung ein und entzieht ihr Kind und Wohnung. Nachbarn und Freunde wenden sich von Sonia ab, von der gesamten Gemeinde wird sie geächtet. Soziale Isolation ist der Preis für die Freiheit.
Teuerer als Rubine konzentriert sich auf die verhersehbare Frauenbefreiungsdramaturgie und krankt daran, daß Sonia nie als Teil jener geschlossenen Gesellschaft dargestellt wird, von der sie sich zu emanzipieren sucht. Von Anfang an ist sie ein Fremdkörper in der strengen Gemeindeordnung, und ebenso abrupt wachsen ihr mit dem beruflichen Erfolg Flügel. Von ernsthaften Gewissensplagen, die man bei der Loslösung aus einer religiösen Zwangsgemeinschaft erwarten würde, wird im Film kaum etwas spürbar. Dafür hätte sich Regisseur Boaz Yakin eben auch tiefer in die chassidische Gedankenwelt hineinbegeben müssen. Betstuben, Hüte, Bärte, Schläfenlocken - Yakins Beobachtungen des kulturellen Millieus bleiben brav an der Oberfläche. Wer vorher nichts vom Chassidismus wußte, ist nach dem Film auch nicht schlauer. Renée Zellweger in der Hauptrolle versucht zwar tapfer, ihrer Figur mehr Tiefe zu verleihen. Gegen die Versäumnisse des Drehbuchs können jedoch auch ihre Bemühungen nichts ausrichten.

Martin Schwickert