RUMBA

Clowns unterwegs

Drei Franzosen rasen wortlos in die Katastrophe

Der dritte spielt nur eine Nebenrolle: Er will sich umbringen. Erst steht er auf einer Eisenbahnbrücke auf den Schienen, aber kein Zug kommt. Dann läuft er hinunter zum rasenden Straßenverkehr, um sich vor ein Auto zu werfen. Prompt kommt keines, aber oben rast ein Zug vorbei. Er kraxelt wieder hoch, verpasst den nächsten Zug, stürzt nach unten und verpasst die ersten zwei. Genauer: sie verpassen ihn.

Die sind Dominique Abel und Fiona Gordon. Die beiden stammen eigentlich aus Belgien und Kanada, haben aber in Paris gemeinsam ein ganz eigentümliches Bühnen-Clowns-Theater entwickelt, das weitgehend ohne Worte auskommt. Auch im Film sagt selten jemand was, und wenn doch, dann hätten an den meisten Stellen Texttafeln wie zu Buster Keatons Zeiten besser zum Stil gepasst.

"Dom" und "Fiona" sind grotesk verrenkbare Lehrkörper in der Provinz. Eher lustlos bringen sie den Alltag herum, erst nach Schulschluss blühen sie auf beim Rumbatanzen. Sei's in der heimischen, unheimeligen Turnhalle, sei's bei Tanzwettbewerben irgendwo auf dem Land, nur wenn sie im bonbonfarbenen Dress die Leidenschaften ausbrechen lassen, sind sie ganz bei sich.

Dummerweise hat Fiona an diesem Abend ihr Kleid vergesseen. Beide rasen zurück nach Haus und müssen sich nun auf der zweiten Anfahrt im Auto tanzfein machen. Sie zieht an seiner Hose, er schält sie aus dem Rock, beide klettern in voller Fahrt übereinander ... und gerade weil wir sehen, dass der Slapstick im stehenden Wagen vor einer Rückprojektion aufgenommen wurde, ist er noch mal so lustig. Und weil wir den Trainings-Tanz ausführlich gesehen haben, kann der Pokal-Tanz nach knapper Ankunft filmisch clever mit etwas Tür auf, Tür zu erledigt werden. Jetzt schnell nach Hause.

Aber da steht der Selbstmörder von oben im Weg. Netterdings fahren die Beiden an ihm vorbei. Vor den Brückenpfeiler. Es rummst im Off, Rauch treibt ins Bild. Wie man mit wenig Geld Effekte setzt, das haben Dom und Fiona offensichtlich auf der Bühne gut gelernt.

Dom hat das Gedächtnis verloren, Fiona liegt im Ganzkörpergips herum. Und das ist erst der Anfang. Abel und Gordon haben sich noch jede Menge Katastrophen für ihre Figuren ausgedacht und ruinieren lustvoll ihr Rumba-Romanze bis zur Trennung. Dann taucht der verschonte Selbstmörder wieder auf und alles wird gut.

Sehr gut sogar, wenn man Jacques Tati und das französische Burlesk-Theater mag. Die Welt ist durchweg künstlich, die Situationen sind allesamt absurd, aber was in ihnen an komischen Mechanismen abläuft, ist universell gültig. Liebe und Kränkung, Glück und Enttäuschung, Zielstrebigkeit und Rumba selbst auf einem Bein berühren uns. Auch wenn wir solche Späße im Kino gar nicht mehr gewohnt sind.

Wing

F 2008 R + B + D: Dominique Abel, Fiona Gordon, Bruno Romy K: Claire Childéric, Fred Meert, Gilles Laurent, Héléne Lamy-Au-Rousseau