Sarahs Schlüssel

Bis in die Gegenwart

Eine Deportation durch die Nazis und ihre Folgen

Nach Die Kinder von Paris folgt ein weiterer Film, der sich mit den Folgen der berüchtigten "Vel d'Hiv" auseinandersetzt - jener Massenrazzia in Paris am Morgen des 16. Juli 1942, die von den deutschen Besatzern beim Kollaborationsregime in Auftrag gegeben und von französischen Polizisten und Soldaten ausgeführt wurde. Innerhalb weniger Stunden wurden über 13.000 Juden verhaftet und in ein großes Volodrom gebracht.

Fünf Tage waren die Gefangenen dort ohne Wasser und sanitäre Anlagen zusammengepfercht, bis sie in die Internierungslager von Drancy, Beaune-la-Rolande und Pithiviers deportiert wurden, von dort aus fuhren die Züge nach Auschwitz .

Gilles Paquet-Brenner greift nicht auf das epische Kinoformat zurück, um von den dramatischen Geschehnissen zu erzählen, sondern konzentriert sich (dem Roman von Tatiana De Rosnay folgend) auf ein Einzelschicksal, das bis in die heutige Gegenwart hineinwirkt.

Als die Polizisten am Morgen die Wohnung stürmen, schließt die zehnjährige Sarah Starzynski ihren jüngeren Bruder in einem tapezierten Wandschrank ein, um ihn vor dem Zugriff der Häscher zu schützen. Schon bald realisieren Sarah und ihre Familie, dass es sich hier nicht um eine vorübergehende Festnahme, sondern um die Vorbereitung zur Deportation handelt.

Im Internierungslager werden die Kinder von den Eltern getrennt. Sarah gelingt irgendwann die Flucht, und sie setzt alles daran ihren Bruder in Paris aus dem Versteck zu befreien.

Parallel zu den dramatischen Ereignissen in der Vergangenheit erzählt der Film von der in Paris lebenden amerikanischen Journalistin Julia Jarmond (Kristin Scott Thomas), die im Jahre 2009 eine Reportage über die Razzia von 1942 schreiben soll und herausfindet, dass das Leben ihrer eigenen Familie eng mit den Ereignissen verbunden ist.

Der Wechsel zwischen den beiden Erzählebenen funktioniert sehr gut als narrative Verbindung, die den Auswirkungen von Razzia, Deportation und Holocaust bis in die Gegenwart hinein folgt.

Denn der Film behält Sarahs Schicksal weit über das Ende des Krieges hinaus im Blick, folgt ihr mit den Recherchen der Journalistin nach Amerika, wo sie versucht, ein neues Leben anzufangen und die traumatischen Erlebnisse und enormen Schuldgefühle zu vergessen. Gleichzeitig verändert sich durch die Auseinandersetzung mit Sarahs Geschichte auch Julias Sicht auf ihr eigenes Leben.

Solche Verbindungen zwischen dramatischen Ereignissen in der Vergangenheit und den privaten Wehwehchen unserer komfortablen Gegenwart, wirken oft gestelzt. In diesem Fall geht das Konzept auf, weil die hervorragende Kristin Scott Thomas (die ohnehin mit jedem Film besser wird) die beiden Ebenen in ihrem Spiel glaubwürdig zusammenbringt und den Nachhall der grausamen Historie sichtbar in ihre Figur einsickern lässt.

Martin Schwickert

Elle s'appelait Sarah F 2010 R: Gilles Paquet-Brenner B: Serge Joncour, Gilles Paquet-Brenner nach dem Roman von Tatiana De Rosnay K: Pascal Ridao D: Kristin Scott Thomas, Mélusine Mayance, Niels Arestrup