»SCHNEE IN DER NEUJAHRSNACHT«

Gestern verweht

Der letzte deutsche Film des Jahrtausends - passt.

Wer immer noch nicht weiß, was er Silvester anstellen soll, dem hilft ein Film wie Thorsten Schmidts Schnee in der Neujahrsnacht auch nicht weiter: hochschwanger in Berlin nach dem passenden Kindsvater suchen, die Nachtschicht eines Busfahrers übernehmen, mit einem Heißluftballon über dem Brandenburger Tor abstürzen - schlimmer ist da nur noch die Vorstellung, das Erstlingswerk eines deutschen Regisseurs ansehen zu müssen, der all diese Schicksale in einem Episodenfilm vereinigt. Ja, es ist Silvester in Berlin, in der "Stadt der Verrückten, der Träumer und Verliebten", wie Radiomoderator Zippo (Hannes Jaenicke) so schön aus dem Off salbadert, während die Kamera ein paar Luftaufnahmen aus der deutschen Hauptstadt serviert. Zippos nasale Stimme versorgt den Film regelmäßig mit allerhand Lebensweisheiten und hält ganz nebenbei die Flickenteppich-Dramaturgie zusammen. Die Zutaten von Thorsten Schmidts Silversterpunsch bereiten nicht erst am Morgen danach Kopfschmerzen. Da ist zum einen der knautschgesichtige Toto (gar nicht so schlecht: Jürgen Tarrach), der gerade aus dem Knast entlassen wird, mit dem Vorsatz als Berliner Busfahrer ein neues Leben anzufangen. Die erste Tour führt gleich ins Verderben. Die junge Russin Natalia (Tamara Simunovic) - von einem deutschen Touristen geschwängert - rennt ihm vor die Räder. Natalia überlebt, denn die wird noch für die Liebesgeschichte gebraucht. Dem angolanische Drogenkurier hingegen wurde das Genick gebrochen. Der gutmütige Busfahrer will den Koffer voll Koks loswerden, die schöne Russin will den Stoff verhökern, wasserstoffblondierte Drogendealer wollen ihn einfach nur zurück. Derweil kreist Eric Burdon als besoffener Ire in einem Heißluftgefährt über der Stadt, um seine geliebte Ex-Frau (Barbara Rudnik) zu erschießen, und Radio-DJ Zippo versucht, eine einsame Nachbarin mit Vinyl-Platten und sentimentalem Äthergeschwätz zu bezirzen. Diensteifrig stolpert der Film zwischen seinen belanglosen Episoden hin und her - schließlich müssen alle Teilnehmer bis um Mitternacht ihr Glück gefunden haben.
"Schnee in der Neujahrsnacht" ist eher ein Weihnachtsmärchen. Am Schluss wird auf dem Hügel hoch über der Stadt punkt Zwölf ein (Christ-)Kind geboren, und der Oberbürgermeister spendiert eine Millionen aus dem Senatsetat für das erste Neugeborene im beginnenden Jahrtausend. Dazu läuten die Glocken, am Himmel glüht das Millenniums-Feuerwerk. Heilige Einfalt macht sich breit.

Martin Schwickert