SCHULE

Aufs Leben warten

Nach dem Abi droht die echte Welt

In den letzten Jahren hat der deutsche Film das minderjährige Kinopublikum kampflos der US-Konkurrenz überlassen. Aber gerade in High-School-Filmen wie Girls United oder Eine wie keine werden die Grenzen des amerikanischen Kulturexportes deutlich, Sorgen und Nöte von Prom-Queens, Cheerleaders und Quarterbacks lassen sich nur bedingt auf den Pubertätsalltag in Paderborn oder Villingen-Schwennigen übertragen.

Mit seinem Kinodebüt Schule begibt sich der 25jährige Regisseur Marco Petry in die gymnasiale Realität der deutschen Provinz. Am Rande einer Kleinstadt liegt das Schulgebäude dekorativ in der Landschaft wie ein pharmazeutischer Mittelstandsbetrieb. Mit seinen quälend hellen Unterrichtsräumen und dem verspielten Waschbetonambiente auf dem Schulhof hat der Flachbau aus den 70ern auch für ältere Abiturjahrgänge einen hohen Wiedererkennungswert. Ein gutes Dutzend Jugendliche begleitet Schule einen Tag lang durch Klausurstress, Gruppenclinch und Beziehungsdramen.

Markus (Daniel Brühl) steht kurz vor dem Abitur und ist genervt von seiner 15jährigen Freundin Sandra (Jasmin Schwiers), die Jean-Paul Sartre für einen Modedesigner hält und ihn übers Radio mit dem Kosenamen "Schnubbi" grüßen lässt. Der dicke Dirk (Axel Stein) schwitzt panisch über seiner Matheklausur und muss den Streber Karbrüggen (Sebastian Kroehnert) um Hilfe anflehen. Vorne bei den Fahrradständern lungert Stone (Niels Bruno Schmidt), der schon vor fünf Jahren von der Schule geflogen ist und hier immer noch blutjunge Schülerinnen aufreißt. Noch einmal ziehen die Jungs und Mädels abends zum See, obwohl sie sich eigentlich schon viel zu alt für frühsommerliche Lagerfeuerromantik fühlen. Als unsichtbare Schallmauer in die Freiheit ist das Abitur nur noch wenige Wochen entfernt. Wie Crazy beschreibt auch Schule die Grauzone zwischen Jugend und Erwachsenwerden. Marco Petry hat den ersten Drehbuchentwurf bereits im zarten Alter von 20 geschrieben, seine Sprache ist direkter, der Humor alberner und die Erzählweise konventioneller. Trotzdem finden sich immer wieder Momente der Wahrheit, die vor allem dem jungen Schauspielerensemble zu verdanken sind. Schule hängt ein wenig unentschlossen zwischen der poetischen Melancholie von Crazy und der pubertären Pennälerkomik von Harte Jungs .

Martin Schwickert

D 2000 R&B: Marco Petry K: Axel Block/Andi Löv D: Daniel Brühl, Jasmin Schwiers, Niels Bruno Schmidt