»SCREAM 2«

Gänse-fürchten

Selbst-Reflexion für Pop-Corn-Kundler: Wes Cravens gar nicht mal so plattes Teenager-Nachschlachten


Scream und Scream 3

Dies ist kein Horrorfilm und Wes Craven ist nicht sein Regisseur. Dies ist auch kein Crash-Kurs in Kult-Theorie und Zitat-Verwesung, sondern bloß ein sicherer Erfolg nach dem überraschenden Erfolg von Scream . Und Witz, Wucht und Versagen liegen schon in den ersten Bildern säuberlich zerteilt nebeinander. Bzw. gehen zusammen ins Kino. Dort läuft Stab , der Film nach dem Buch der erfundenen fiesen Reporterin über die wahren Vorgänge in Scream . Und das johlende Publikum, fast uniform fanmäßig edwardmunchisch maskiert, schmeißt mit Popcorn, läuft während der spannendsten Szenen raus und rein und ist offensichtlich nicht bei der Sache. Vielleicht weil die ganze Szene aus Matinee geklaut ist?
Jedenfalls kann ein richtiger Messerstecher, versteckt unter lauten Doubles seinesgleichen, zwei Besucher, die sich über Sinn und Schund des Slasher-Genres, besonders für Schwarze, ergebnislos streiten - stabben. Und gähnenden Europäer, die im Kino lieber aufmerksam als lustig sind, suchen die Vorlauftaste: Scherz erkannt, nächster Schrecken bitte.
Na gut: das Morden geht weiter, die Maske metzelt sich durch eine Fachhochschule für Theater und Film, dumme Gänse (oft) und smarte Boys (selten) werden vom Unterricht endgültig ausgeschlossen, die Überlebenden des ersten Teils treffen sich zum Wenigerwerden, jeder kriegt eine Szene als Haupt-Verdächtiger, die Haupt-Überlebende kriegt eine Nebenrolle als Unheilsbotin bei der Schulaufführung, alles verdoppelt und verplappert sich ... und nur an ganz wenigen Stellen läuft das Umspann-Werk aus "wir kennen dich und das Genre" und "Wes Cravens Drehbuchautor weiß, wie klug wir sind" richtig rund. Wenn etwa in einem Film mit einem schreienden Titel eine Frau in den schalltoten Raum eines Studios flüchtet, dann ist plötzlich jeder erwartete Ausgang doch ein unerwarteter (genauer: sogar zwei). Und dann stört es für den Moment auch nicht einmal, daß Wes Craven eigentlich eine Fußnote an jede Einstellung, jeden Schwenk, jeden Schnitt machen müßte.
Alles, was in Scream 2 funktioniert, funktionierte schon mal woanders. Alles, was in Scream 2 nicht funktioniert, aber auch. Gefangen im ständig neu beschworenen Einverständnis mit seinem Publikum (eine Art umgekehrter "suspense": wie lange soll die vermeintlich geheime Bombe denn noch ticken?), bleibt Craven meist nur die Flucht in die Überraschung. Die dann in der Regel auch nur als umgekehrte "surprise" verpufft: na, wo steckt der schwarze Mann denn nun schon wieder?
Dem Publikum ist das egal. Es benimmt sich zwar deutlich besser, als sein Pendant auf der Leinwand, aber solange das Popcorn frisch ist, haben sie Spaß. Und sobald der erste Dolch, sauber ab 16 freigeschnitten, ins Fleisch fährt, hören eh alle auf, die Gänsefüßchen mitzuzählen. Verärgert sind nur Slasher-Film-Theoretiker, die Scream 2 ernstlich übel nehmen, jetzt aus Gründen der politcal correctness auch ein paar stärker pigmentierte Opfer vorzuhalten. Wo sei denn da das Subversive der klassischen Selbstzerfleischung der weißen Mittelklasse?
Eben: da ist nichts Subversives. Da ist kein Sub-Text. Da ist nichts gegen Widerstände erst noch zu entdecken. Da ist alles Oberfläche. "Ich will wissen, wie du von innen aussiehst" keuchte die Maske in Scream ins Telefon. Aber schon da gab es gar kein Innen mehr. Und in Wahrheit haben weder Wes Craven noch seine Maske irgendein Erkenntnisinteresse. Außer vielleicht an den Eingeweiden unserer Geldbörsen. Aus denen sich sicher noch ein dritter Teil herausschneiden läßt.

WING