»FIVE SENSES«

Im Reich der Sinne

Manchmal schmeckt das Leben nach nichts

Um die fünf Sinne - Hören, Sehen, Tasten, Geschmack und Geruch - gruppiert der kanadische Regisseur Jeremy Podeswa ( Eclypse ) das Schicksal seiner Figuren, die vereinsamt und ziellos durch das moderne Leben von Toronto treiben.
Der professionelle Putzmann Robert (Daniel MacIvor) ist von der Idee besessen, dass man Liebe riechen kann. Tag für Tag trifft sich der bisexuelle Mittdreißiger mit seinen früheren Geliebten, um mögliche Reste von Gefühl zu erschnuppern. Seine beste Freundin Rona (Mary-Louise Parker) verdient ihr Geld als Designerin von Torten, die zwar hübsch anzusehen sind, jedoch nach nichts schmecken. Als ihr italienischer Urlaubsflirt sie Hals über Kopf im winterkalten Toronto aufsucht, gerät Ronas sorgfältig abgestecktes Single-Leben aus dem Gleichgewicht. Roberto (Marco Leonardi) spricht kein Wort Englisch, okkupiert alsbald Wohnung und Küche und betört Rona mit wohlschmeckender italienischer Hausmannskost. Im gleichen Haus wohnt der französische Augenarzt Richard (Philippe Volter). In wenigen Wochen wird er - so der medizinische Befund -taub sein. Richard schließt seine Praxis, um während der verbleibenden Zeit in seinem Kopf eine Geräuschbibliothek anzulegen. Über den Lüftungsschacht belauscht er die Massage-Therapeutin Ruth (Gabrielle Rose), deren Hände die Muskelverspannungen gestresster Großstädter lösen. Ihre unglücklich vor sich hin pubertierende Tochter Rachel (Nadia Litz) hat eine deutliche Neigung zum Voyeurismus. Als sie im Park ein Liebespaar beobachtet, verliert sie das kleine Mädchen aus den Augen, auf das sie als Babysitterin aufpassen sollte.
Während die Polizei in den folgenden Tagen nach dem verschwundenen Kind fahndet, beobachtet der Film die Protagonisten bei der Suche nach sich selbst und nach ein paar Krümeln Liebe. Jeremy Podeswas Blick auf die entfremdeten Großstadtfiguren ist von düsterer Melancholie geprägt. Dunkle Grau- und Brauntöne bestimmen den Film und nur langsam werden Zeichen der Hoffnung ins depressive Gesamtbild geflochten.
Five Senses ist ein Plädoyer gegen die Entfremdung im urbanen Beziehungsdschungel. Mühsam lernen die Figuren, wieder ihrer eigenen Intuition und sinnlichen Wahrnehmung zu vertrauen. Dabei wirkt das Konzept, das die losen Handlungsstränge mit dem Durchbuchstabieren der fünf Sinne verbindet, etwas gestelzt. Das straffe, intellektuelle Erzählkorsett lässt den durchaus ambitionierten Darstellern zu wenig Spielraum, und so bleibt Five Senses - entgegen aller Forderungen nach mehr Sinnlichkeit im Leben - ein blutleeres Kunstprodukt.

Martin Schwickert