SEPTEMBER

Zeit der Tränen

Max Färberböck erinnert sich an den 11.9.2001

Damals war man sich sicher. Nach diesem Tag, dem 11.9.2001, werde nichts mehr so sein, wie es einmal war. Und damit war nicht nur die große Politik gemeint, sondern auch das eigene, ganz persönliche Leben. Aber das Gefühl der globalen, privaten Verwirrung verflüchtigte sich bei denen, die nur medial betroffen waren, überraschend zügig. Mit September geht Regisseur Max Färberböck (Aimée und Jaguar) zurück in die wirren Wochen zwischen dem "Nine Eleven" und dem Afghanistan-Krieg.

Anders als der seelenverwandte Sammelfilm 11901 reist September nicht in die weite Welt hinaus, sondern beschränkt sich auf den Mikrokosmos Deutschland. Vier Paare werden durch die Wucht des historische Ereignisses aus der Umlaufbahn geworfen. Da ist: Erstens der stinkreiche Banker(Justus von Dohnányi), dessen unglückliche Ehefrau (Catharina Schuchmann) den Weltschmerz des Nur-Mutter-Daseins auf die einstürzenden Neubauten in Manhattan projiziert. Zweitens die hochschwangere Lena (Nina Proll), die sich durch die antimoslemischen Stimmungsmache mit ihrem pakistanischen Freund (René Ifrah ) zerstreitet. Drittens der kampfgeile SEKler (Jörg Schüttauf), der im Terrorismusbekämpfungsfieber sein Familienleben aufs Spiel setzt und viertens schließlich als Witzfigur der eitle Feuilleton-Autor (Moritz Rinke), der zu Hause am Computer den Bezug zur Realität verliert.

In seinem überambitionierten Projekt geht es Färberböck um das klassische Verhältnis zwischen Persönlichem und Politischem. Die Angst, die die Unfassbarkeit des Anschlages in den Menschen auslöst, zieht sie in zwei Richtungen. Zum einen werden die persönlichen Sorgen durch die tragische Größe des historischen Ereignisses verdrängt. Zum anderen führt die diffuse weltpolitische Bedrohung aber auch zu einem unbewussten Rückzug ins Private.

Der eine will seine Ehe retten, der andere seine Freundin nicht mehr sehen, und wieder eine andere sieht ihren Geliebten plötzlich mit ganz anderen Augen. Färberböcks Ansatz, große Globalpolitik mit neuer deutscher Innerlichkeit zu verbinden ist durchaus interessant, die Ausführung hingegen weitgehend misslungen. Die vier Geschichte werden zwar kunstvoll miteinander verflochten, aber kaum eine der Figuren wirkt in ihrem persönlichem Hadern mit den politischen Ereignissen nur halbwegs glaubwürdig.

An den Schauspielern liegt das nicht. Nina Proll und Jürgen Schüttauf haben in anderen Filmen gezeigt, dass sie Charaktere fest in der Realität verankern können. Die Sätze, die Schüttauf jedoch als polizeilicher Elitekämpfer in den Mund gelegt bekommt, hätte man aus jedem Tatort-Skript herausredigiert.

Einzig die Episode im sterilen Millionärs-Milieu ragt ein wenig aus dem deutschen Fernsehmittelmaß heraus. Wenn der Banker und seine depressive Gattin ihr Familienleben zur Disposition stellen, werden die Charaktere brüchig und die Sympathien immer wieder neu verteilt. Wenigstens punktuell bekommt man hier ein Gespür dafür, was aus dem Film hätte werden können, wenn man der Figurenentwicklung mehr und den politischen Plattitüden weniger Raum eingeräumt hätte.

Martin Schwickert

D 2003 R: Max Färberböck B: Max Färberböck, John von Düffel, Sarah Khan, Matthias Pacht, Moritz Rinke K: Carl Koschnick D: Nina Proll, Chatharina Schuchmann, Justus von Dohnanyi, Jörg Schüttauf, Moritz Rinke