Shut Up and Play the Hits

Sag zum Abschied leise Servus

Ein Film über den großartigen James Murphy und sein Abschiedskonzert

Nach Stephen Colbert kann die Karriere eines Rockstars nur auf drei Arten enden: Durch eine Überdosis, durch angehäuften Überdruss des Publikums oder indem der Betreffende Spiderman: The Musical schreibe. Bei einem Interview mit James Murphy, dem Gründer der Band LCD Soundsystem, bohrt Colbert nach. "Rockstars gehen nicht einfach auf dem Höhepunkt ihrer Karriere." Doch im April 2011 tat Murphy genau das mit einem vierstündigen Abschiedskonzert im Madison Square Garden in New York. Shut Up and Play the Hits ist weit mehr als ein Konzertfilm mit feiernden Massen. Dies wäre dem Thema und einer Band, die kreativ Dance, Punk und Indie in ihrer Musik verband und dazu noch Texte hatte, die Geschichten erzählten, nicht angemessen. Trotz ihres Erfolges blieb LCD Soundsystem stets im Underground- oder Indiebereich und weit weg vom kommerziellen Pop.

Der Film ist eine ebenso mitreißende wie bewegende Chronik eines Abschieds. Die Regisseure Will Lovelace und Dylan Southern (No Distance Left to Run) haben Murphy etwa eine Woche begleitet und so die Vorbereitungen auf das große Konzert, die Veranstaltung selbst und den Tag danach dokumentiert. Das entstandene Material ordneten sie nicht chronologisch an, was zunächst etwas verwirren mag. Dennoch entsteht daraus ein komplexes Bild, das dem Zuschauer den Menschen James Murphy so nahe bringt, wie es ein knapp zweistündiger Film kann.

Man erfährt, dass Murphy das Ende von langer Hand geplant hat. Schon mit 30 habe er gesagt, dass in zehn Jahren Schluss sein werde und die Zeit sei nun gekommen. Er wolle ein normales Leben, Ruhe und endlich mal Zeit haben. Wenn er als Greis zurückblicke und feststelle, was er im Leben alles verpasst habe, was nütze ihm dann ein Haufen Geld? (Der Mann ist nicht nur cool, er hat Charakter.)

Während des Konzerts ist die Kamera oft dicht an Murphy und seinen Bandkollegen dran. Dadurch sieht man selbst die kleinen Gesten zwischen den Musikern, die in ihrem Element sind und noch einmal zeigen, dass LCD Soundsystem eine hervorragende Lifeband war. Dazu gibt es auch zahlreiche Impressionen und Eindrücke, von Freunden im Publikum festgehalten.

Und dann ist er da, der Tag nach dem Konzert. Die Anstrengung der vergangenen Nacht ist Murphy anzusehen, auch die Verunsicherung über die neue Situation. Als er in einem Abstellraum das vor kurzem noch benutzte Bandequipment betrachtet, ist das einen Augenblick lang zu viel für ihn. Man hört ihn leise schluchzen, denn vielleicht erst jetzt wird ihm die Tragweite seiner Entscheidung wirklich bewusst; ohne Frage der berührendste Moment des Films.

Aber man wird nicht trübsinnig entlassen. Eine der letzten Szenen zeigt, wie Murphy zu seinen Kollegen stößt, die in einem Restaurant auf ihn warten und ihn freudig begrüßen. Auch wenn die Band Geschichte ist, so bleiben doch die entstandenen Freundschaften und Erinnerungen an eine tolle, gemeinsame Zeit.

Olaf Kieser

UK 2012 R: Will Lovelace, Dylan Southern K: Reed Morano