SICKO

Ganz schön krank

Michael Moore untersucht das US-Gesundheitssystem und findet: In Europa ist alles besser

Michael Moore ( Bowling for Columbine ) ist in letzter Zeit mehrfach ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Nicht mehr nur erzkonservative Kritiker werfen dem engagierten Politdokumentaristen unlautere Methoden vor. Mag sein, dass Moores Integrität gelitten hat, aber gegenüber dem amoralischen Verhalten seiner Angriffsziele wirken seine Verfehlungen eher bescheiden.
In Sicko nimmt er die amerikanische Gesundheitsversorgung ins Visier, die seit den 70ern gnadenlos privatisiert wurde.
Einer Frau wird eine Tumorbehandlung verweigert, weil sie bei Vertragsabschluss eine Fußpilzinfektion nicht angegeben hatte. Der Antrag einer 22jährigen Mutter wird abgelehnt, weil sie zu jung für Gebärmutterkrebs sei. Eine Knochenmarks-Transplantation wird nicht durchgeführt, weil die Methode angeblich wenig erprobt ist.
Staunend reist Moore mit der Kamera nach Kanada, England, Frankreich und sogar nach Kuba, wo das staatliche Gesundheitssystem die Versorgung übernimmt. Ironisch verklärend blickt der Film auf die Zustände in "Old Europe", das als Sozialparadies mit glücklichen, gesunden und wohlhabenden Menschen vorgeführt wird.
Spätestens jetzt stellt sich die Frage nach dem Aussagewert dieses Films für uns Nicht-Amerikaner. Aber Sicko ist nicht nur ein gewaltiges Warnsignal vor der Privatisierung des Gesundheitswesens, die auch hierzulande um sich greift. Moore verweist auf eine Struktur, die der amerikanischen Gesellschaft zu schaffen macht und die im Zuge der Globalisierung auch Europa betrifft: Die fatale Logik anonym agierender Kapitalgesellschaften, die nur das Wohl ihrer Aktionäre im Auge haben und vollkommen befreit von moralischen Maßstäben nach Gewinn ausgerichtet sind. Die US-Gesundheitsversorgung ist hier nur das extremste Beispiel.

Martin Schwickert

USA 2007 R&B: Michael Moore