Side Effects

Pillen-Thrill

Steven Soderbergh kämpft mit scharfem Besteck gegen Depressionen

In Europa sind Filmliebhaber schon länger depressiv, weil Steven Soderbergh ankündigte, nach diesem keinen weiteren Film mehr fürs Kino drehen zu wollen. Deshalb stehen sie Schlange, nicht zuletzt angefixt durch die Tatsache, dass das Buch schon wieder von Scott Z. Burn stammt, mit dem Soderbergh bereits zweimal einen Film machte.

In Amerika kommt das Publikum wohl eher, weil es darin um einen Doktor geht, dem eine Missmedikation vorgeworfen wird, was im Fall von Michael Jackson ja spektakulär bis ins Gefängnis führte. Und dann kommen noch Leute, die gehört haben, es gehe um Kritik an Psychopharmaka und ein besseres Verständnis der Depression als Volkskrankheit. Alle kommen auf ihre Kosten und keiner hat Recht. Soderbergh ist viel zu elegant und Burns ist viel zu verschlagen, um eine Sichtweise durchzuhalten, ein Genre allein zu bedienen, oder bloß ein Dutzend Erwartungshaltungen zu unterlaufen. Etwa die auf einen Hitchcock-Film.

Wie bei Psycho schwebt die Kamera eine Stadtlandschaft ab, nähert sich einem Fenster - und dahinter ist viel Blut auf dem Boden. Mit einem simplen "Sechs Monate früher" springen wir in eine andere Geschichte. Die etwas verhuschte Emily Taylor besucht ihren Mann im Knast. Der sitzt da wegen Börsenvergehen, kommt aber bald wieder frei. Das Ehepaar wird damit jedoch nicht recht glücklich, Emily wird depressiv, bricht unvermittelt in Tränen aus und fährt eines Tages ihr Auto ungebremst gegen die Wand.

Der Psychiater (Jude Law) verschreibt ihr alle möglichen Psychopharmaka ohne viel Wirkung, schließlich auch ein neues Mittel, auf das ihn Emiliys frühere Therapeutin (Cathrine Zeta-Jones) aufmerksam macht. An dieser Stelle machen sich erfahrene Thriller-Seher einen Knoten ins Taschentuch, und Filmkritiker werden vage in ihren Inhaltsbeschreibungen. Sagen wir nur soviel: Es wirkt nicht richtig und Emilys Mann hat plötzlich ein Messer im Leib.

Ab jetzt läuft Side Effects in mehrere Richtungen zugleich. Es geht um Emily und ihre schweren Depressionen, um die Frage der Schuld und die Verantwortung, die jemand für seine Taten übernehmen kann, wenn er seine Umwelt nicht mehr richtig wahrnehmen und einordnen kann. Es geht auch um den modernen Lebensstil, der Mittel für und gegen alles bereit hält. Um die Abhängigkeit der Ärzte von ihrem guten Ruf und den Zuwendungen der Pharmaindustrie. Und um den armen Doktor, der langsam merkt, dass alles ganz anders ist, als es scheint.

Er macht sich auf, die Wahrheit herauszufinden, und weil er dabei nicht besonders moralisch, aber immer elegant vorgeht, wirkt die Kritik am Psychounwesen nur noch stärker. Was der Gute hier tut, erhöht nicht nur die Glaubwürdigkeit der bösen Seite, die sonst doch arg kolportagehaft erschiene. Das System, das die Tat ermöglichte, wird nicht dadurch besser, dass es auch die Rettung zulässt.

Ein großer Betrug erschlägt einen anderen, und alles wird gut.

Wing

USA 2013. R: Steven Soderbergh B: Scott Z. Burns K: Peter Andrews (Steve Soderbergh) D: Rooney Mara, Jude Law, Catherine Zeta-Jones, Channing Tatum