»DIE SIEBTELBAUERN«

Herren und Knechte

Ein deutscher Bergwestern ohne Gipfelblick


Das Interview zum Film

vom selben Regisseur: Anatomie

Zurecht genießt der deutsche Heimatfilm in der Kinogeschichte kein großes Ansehen. Zu sehr klebte an den Louis-Trenker-Filmen der 30er Jahre der Geschmack von Blut-und-Boden, zu nahtlos knüpften Werke wie Der Förster vom Silberwald in den 50ern heimattrunken an diese Ästhetik an. Selbst im allgemeinen Genre-Recycling der 90er Jahre blieb der Heimatfilm außen vor. Nun hat der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky sich des vernachlässigten Genres angenommen und bürstet dessen starre Gesetzmäßigkeiten kräftig gegen den Strich.

Es beginnt mit einem Mord. Der reiche Bauer liegt mit durchgeschnittener Kehle in der Mitte seines Hofes. Die Mörderin sitzt und schweigt im Hühnerstall, das blutige Messer noch in der Hand. Erst später findet man heraus, daß es die frühere Magd Rosalind (Elisabeth Orth) ist, die der Bauer vor langer Zeit mit Gewalt genommen hat. Nicht der Bauer ging dafür ins Gefängnis, sondern die Rosalind. Aus einer Laune heraus und sehr zum Verdruß der restlichen Bauernschaft, hat der Verstorbene nun den Knechten und Mägden Haus und Hof vermacht. Sieben von ihnen nehmen die Herausforderung an und betreiben den Hof in gemeinschaftlicher Selbstverwaltung. Es gibt viel zu lernen, denn das Denken ist man nicht gewohnt. Ohne Zynismus zeigt Regisseur Ruzowitzky das langsame Erwachen und die Konstituierung von Selbstbewußtsein. Stolz drängt man sich zwischen die "echten" Bauern auf die Kirchbank, Lukas (hervorragend: Simon Schwarz), der Findling, fängt das Schreiben an, Emmy (endlich wieder in einer Hauptrolle: Sophie Rois) kann ihr "Uneheliches" mit auf den Hof nehmen, und sogar die Kühe werden im Stall so nebeneinander gestellt, wie sie sich gerne mögen. Die kollektive Idylle blüht nur kurze Zeit. "Ein Knecht kann nie ein Bauer sein", sagt Danninger, der reichste Bauer im Ort, und intrigiert nach besten Kräften. Die Scheune wird in Brand gesetzt, und als Lukas den Zündler im Handgefecht erschlägt, ist die Hatz auf die Siebtelbauern eröffnet.
Mit der Kraft der Naivität lehnen sich die Siebtelbauern gegen die starren gesellschaftlichen Strukturen, gegen die "natürliche" Ordnung und das gottgefügte Schicksal auf. Mit seinem Szenario zersetzt Ruzowitzky genau jene Werte, die den Heimatfilm in früheren Jahrzehnten zum konservativen Vexierbild haben werden lassen. Neid, Mißgunst und Haß, die in Brandschatzung, Mord und Totschlag enden - der Film hat keine Angst vor großen melodramatischen Gesten, spielt gekonnt mit der düsteren, mystischen Bildsprache des Genres und entwickelt daraus einen schrägen, eigenwilligen Stil. Dabei bleibt der Blick der Kamera meist auf die enge Talperspektive beschränkt. Der allesbefreiende Gipfelblick, der zur Grundausstattung des traditionellen Heimatfilms gehört, fehlt hier ganz. Das Pathos, mit dem der Kampf der Knechte und Mägde um Land und Gerechtigkeit inszeniert wird, ist sorgfältig dosiert und manchmal wirkt Die Siebtelbauern auch wie ein Western.

Martin Schwickert