Miss Sixty

Lachen im Alter

Endlich eine witzige deutsche Komödie

Sich beliebt zu machen, gehört nicht zu den Stärken der Molekularbiologin Luise (Iris Berben). Zu ihrem 60.Geburtstag erwarten die Kollegen sie freudestrahlend mit einer Torte, auf der "und tschüss" steht, denn Luise soll in den Vorruhestand strafversetzt werden. "Das einzige, was du kriegen kannst und ich nicht, ist Prostatakrebs" sagt sie zu ihrem salatkauenden Chef, mit dem sie einmal eine Affäre hatte.

Aber was tun, wenn man sein Leben ganz und gar der Wissenschaftskarriere gewidmet hat und plötzlich zwangsverrentet wird? Eine Kreuzfahrt mit der etwas schrägen Mutter (Carmen-Maja Antoni) ist eine wenig befriedigende Alternative zum Berufsalltag. Und natürlich fallen Luise zum runden Geburtstag die privaten Versäumnisse ein.

Über verworrene Drehbuchpfade gerät Luise an den Galeristen Frans (Edgar Selge), einen eitlen, alten Gockel, der sich dem Älterwerden durch hippe Kleidung und junge Liebhaberinnen zu entziehen versucht. Aber letztere stellen Ansprüche körperlicher Natur und Frans spürt schmerzhaft, dass der Jugendlichkeit mit 60 Grenzen gesetzt sind. Als Luise den beim Joggen zusammengebrochenen Frans im Park aufliest, können sich die beiden auf Anhieb nicht ausstehen.

Und damit beginnt der Spaß von Sigrid Hoerners herzhaftem Regiedebüt Miss Sixty, das einem den verloren gegangen Glauben an deutsche Komödien zurückgeben könnte. Was viele vergeblich versuchen, gelingt Hoerner endlich: eine Screwball Comedy, die sich an klassischen Vorbildern orientiert und trotzdem ihren eigenen, sehr zeitgemäßen Ton findet. Berben und Selge schlüpfen hier in die Schuhe von Katherine Hepburn und Spencer Tracy als kauziges Duo, das über scharfzüngige Abneigungsbekundungen zueinander findet. Miss Sixty ist keine dieser weichgespülten Ü50-Komödien, die dem ergrauenden Publikum vorgaukeln, dass man auch im fortgeschrittenen Alter über sich hinauswachsen und wie Dieter Hallervorden einen Marathon laufen muss. Hier schaut man dem Alter lieber direkt ins Gesicht und gewinnt aus der Diskrepanz zwischen dem eigenen Spiegelbild und dem gesamtgesellschaftlichem Jugendwahn den größtmöglichen Spaßfaktor.

Hoerners schwungvolle Komödie überzeugt durch messerscharfen Dialoge, realistischen Blick und unterhaltsam-überdrehte Turbulenzen. Das Drehbuch stammt von Jane Ainscough, die zuletzt in Eltern ihr genaues Gespür für die Komik im Alltäglichen bewiesen hat. Iris Berben, die viel zu oft die alterslose Schöne vom Dienst gespielt hat, entwickelt sichtbaren Spaß an den Schrullen und der Kratzbürstigkeit ihrer Figur, Edgar Selge ist ein ebenbürtiger Partner, der sich furchtlos in die Rolle des Alt-Dandys stürzt. Dies ist mit Abstand die amüsanteste deutsche Komödie seit vielen, sehr vielen Jahren.

Martin Schwickert

D 2014 R: Sigrid Hoerner B: Jane Ainscough K: Matthias Fleischer D: Iris Berben, Edgar Selge, Björn von der Wellen. 98 Min