SKAGERRAK


Muse und Fixstern

Ein dänisches Filmmärchen

Mifune ist ein Film, an den man sich gerne erinnert. An das wahlverwandtschaftliche Familienglück, das sich in dem zugewucherten Gehöft versammelte. Und an die wunderbare Iben Hjelje, die mit gelber "Netto"-Tüte auf dem Kopf beherzt das Mauerwerk kalkte. Was Uma Thurman für Quentin Tarantino, das ist Hjelje für Sören Kragh-Jacobsen: Muse und Fixstern. Sein neuer Film Skagerrak ist vollgestopft mit überraschenden Plotwendungen und exzentrischen Nebenfiguren, aber gewidmet ist er einzig und allein seiner Hauptdarstellerin.
Nicht das gleichnamige Segelrevier nördlich von Dänemark, sondern ein schottisches Fischerstädtchen ist Austragungsort der Geschichte von Marie (Hjelje) und Sophie (Bronagh Gallagher). Die Freundinnen touren durch die Welt von einem Job zum nächsten. Gerade haben sie sich auf einer Bohrinsel verdingt, jetzt wollen sie, wie sich das für Seefrauen gehört, ihren Lohn an Land versaufen. Das geht schneller als gedacht, weil sich die Gelegenheitsliebhaber nach durchzechter Nacht mit dem Verdienst davonmachen.
Aber in Schottland gibt es auch einen soliden Landadel, der um seine Erbfolge bangt. Sir Lumley (James Cosmo), der siebte Earl of Glomis, will Marie als Leihmutter engagieren. Auf Sophies Drängen hin lässt sich Marie auf das Geschäft ein.
Aber dann folgt einer dieser abrupten Schicksalsschläge, in die sich das neue dänische Kino verliebt hat: Sophie stirbt bei einem Unfall, und Marie flüchtet vor den adligen Häschern in eine Werkstatt, die von einem eigenwilligen Mechaniker-Trio betrieben wird. Von hier an bewegt sich der Plot nur noch in gewagten Saltobewegungen fort und entwickelt sich zu einem neuzeitlichen Krippenspiel. Wenn Marie schwanger durch den Film wandelt und ein Kraftfahrzeugmonteur namens Gabriel zum Schutzengel avanciert, werden nicht nur bei Messdienern Assoziationen freigesetzt. Der Kampf ums ungeborene Leben nimmt skurrile Formen an, etwa wenn die wilden Kerle aus der "Skagerrak"-Werkstatt vor dem Fenster des Abtreibungsarztes ein Ständchen singen.
Kragh-Jacobsen begreift Skagerrak nach als zweiten Teil einer Trilogie zu dem Thema "Heilige und Hure". Darauf hat die Welt nicht gerade gewartet und dahinter dürfen eine Menge verschwiemelter Ideen zur Geschlechterdifferenz vermutet werden. Dass das Filmmärchen trotzdem nicht in eine verschrobene Männerphantasie abrutscht - dafür sorgt die bodenständige Leinwandpräsenz von Iben Hjelje, die ebenso überzeugend als kotzende Schnapsleiche wie als weibliche Lichtgestalt agiert.

Martin Schwickert
DK 2003 R: Sören Kragh-Jacobsen B: Anders Thomas Jensen & Sören Kragh-Jacobsen K: Eric Kress D: Iben Hjejle, Bronagh Gallagher, Martin Henderson