»SLEEPY HOLLOW«

Mit Köpfchen

Tim Burton schickt Johnny Depp in eine Edel-Trash-Szenerie

Vor sechs Jahren hat Regisseur Tim Burton mit seiner Ed Wood-Biografie dem Trash-Film der 50er Jahre ein Denkmal gesetzt. Johnny Depp spielte damals den exzentrischen Regisseur, der mit wenig Geld und noch weniger Talent seine Begeisterung fürs Filmemachen auslebte. Mit der Horrorgroteske Sleepy Hollow hat Tim Burton nun einen Film gemacht, der den guten, alten Ed Wood sicherlich begeistert hätte.
"The Legend of Sleepy Hollow" (1820) von Washington Irving ist ein amerikanischer Gruselklassiker und hat schon Generationen von US-Kindern den Schlaf geraubt. Die Geschichte des kopflosen Reiters, der durch die Wälder streift, um seinem unstillbaren Enthauptungsdrang nachzugehen, wurde bereits 1896 zum ersten Mal verfilmt, die Liste der Remakes ist schier endlos.
Gute Voraussetzung für eine Vertrashung des Stoffes, und als anarchistischer Fantasy-Liebhaber ist Tim Burton ( Edward mit den Scherenhänden , Mars Attacks ) hier voll in seinem Element. Im Viertelstundentakt läßt er die Kautschuk-Köpfe rollen, Blitz und Donner auf die Erde niederfahren und den Orchestergraben erzittern.
Als oberschlauer Vorfahre eines typischen FBI-Agenten reist Ishabod Crane (Johnny Depp) im Jahre 1799 von New York ins vernebelte Sleepy Hollow, um die mysteriösen Morde des kopflosen Schwertkämpfers mit streng wissenschaftlicher Kriminalistik zu untersuchen. Die Dorf-Nomenklatura empfängt den Städter mit wissend finsterer Miene und die schöne Katrina (Christina Ricci) mit einem romantikverheißenden Kuss.
Mit seinen forensischen Methoden ist Crane schon bald am Ende und eine erste blutige Begegnung mit dem berittenen Geist führt zu Ohnmacht und Fieberwahn. Dennoch macht sich der feingliedrige Ermittler daran, den ruhelosen Dämon mit Mut, Entschlossenheit und detektivischem Scharfsinn wieder in die Hölle zurückzubefördern. In bester Ed Wood-Tradition erzählt Tim Burton die Story mit knirschender Dramaturgie, kruden Plotwendungen und schrulligem Humor.
Mit dem kindlichen Enthusiasmus eines echten Genrefans zitiert sich Burton durch die Horrorfilmgeschichte: düstere Wolken, finstere Märchenwälder, knarrende Türen, krächzende Hexen, spritzende Kunstblutfontänen, kopflose Körper und körperlose Köpfe - das alles so liebevoll übertrieben eingesetzt, dass nicht nur abgebrühte Splatter-Fans ihren Spaß haben werden. Die ausgewaschenen Farben geben dem Film sein hübsch morbides Flair (noch nie war Johnny Depp so blass) und die surreale Märchenkulisse, die an das Design alter Fritz-Lang-Filme erinnert, ist schlichtweg ein Meisterwerk der Filmarchitektur. Seit Bram Stokers Dracula hat man eine derart stilvolle Ausstattung in einem Horrorfilm nicht mehr gesehen. Ed Wood wäre vor Neid erblasst.

Martin Schwickert