Slow Food Story

Dinner for one

Carlo Petrini und seine langsame Bewegung für besseres Essen

Heute ist die Schnecke ein alter Hut. Das Markenzeichen einer ehemals ausdrücklich linksalternativen Kampagne für guten Wein und Rohmilchkäse scheint keinen Platz mehr zu haben zwischen den Bio-Regalen beim Discounter und Cappuccino-Pulver mit fair gehandeltem Zuckeranteil. Dabei hat Carlo Petrini, der Gründervater, unlängst noch mit großer Geste und charmantem Witz verkündet, das Beste komme erst noch, Slow Food 2.0 beginne jetzt.

Das ist wohl die richtige Zeit für eine Dokumentation der Vergangenheit, für die Stefano Sardo mit Freunden und Weggefährten sprach, historisches Material einmontierte und mit Zeichentrick-Zwischenspielen das Bio-Pic in thematische Kapitel einteilte.

Eines handelt von der Politik. Carlo Petrini war in den 1970ern ein Bürgerrechtler in der norditalienischen Folk-Szene, betrieb ein Piraten-Radio, organisierte Festivals und die Weinversorgung der Gäste. Als der Methanol-Skandal die italienische Weinindustrie ruinierte, nutzte seine Barolo-Fraktion die Kontakte zu den kleinen, ländlichen Winzern und etablierte kritische Verkostungen auf kommunistischen Parteitagen. Zum Entsetzen der Genossen und zur Freude der Industrie, die die von unten erfundene Qualitätsoffensive bald erfolgreich übernahm. Schnell wuchs der Ansatz, Politik mit Lebensfreude und Lebensmittel-Genuss mit der Unterstützung des lokalen Kleingewerbes zu verbinden, und nach einer noch stark weinorientierten Aufbauorganisation gründete sich 1989 in Paris Slow Food International, mit der Weinbergschnecke als wohlschmeckendem Flaggentier, das für die Entschleunigung zur Verbesserung der Lebensverhältnisse stand.

Auslöser war der Kampf gegen die Ansiedlung einer McDonalds-Filiale an der Spanischen Treppe in Rom, aber nicht, weil er Burger unessbar fand, sondern weil Petrini die globale Gleichmacherei und der Traditionsverlust störte.

Stefano Sardo verfolgt nicht stringent die Geschichte der Genuss-Revolution, sondern blättert eher in deren Familienalbum. Seltsamerweise spricht er nie direkt mit Carlo Petrini, sondern lässt einen Freund oft unwichtige Dönekes erzählen. Nur manchmal taucht etwas Kritik zwischen den Bildern auf, wenn ein Großgastronom sein "Eataly"-Center vorstellt, in dem es ziemlich langsames Essen für alle gibt. Vom Espresso für zwei Euro bis zum Barolo für 300. Ein "kulinarisches Disneyland" jubelt der Betreiber. Was hätte Carlo dazu gesagt?

Der gründet derweil Nahrungsmittelkooperativen in der ganzen Welt, und hat neben der Qualität der Produkte inzwischen auch ihre Reinheit und Gerechtigkeit zum Kampfziel erhoben. Guter Mann. Aber hätte nicht neben das Heiligenbildchen ein Rezept gehört? Oder zur Feier des Piemonts, Petrinis Heimatregion, der Hinweis, dass es da zwar Ferrero, aber keine Kirschen gibt?

Wing

I 2013. R + B: Stefano Sardo D: Carlo Petrini, Azio Citi.