Snow White and the Huntsman

Jeanne D'Arc & die 7 Zwerge

Eine düstere Fantasy-Variante des Schneewittchen-Märchens

Das düstere Fantasy-Gemälde distanziert sich meilenweit von der Disney-Version des Stoffes, die nicht nur in der US-Kultur bis heute stilprägend für das Schneewittchen-Image ist. Auf der einen Seite gehen Sanders und seine fünf Drehbuchautoren vollkommen frei mit der Märchenvorlage um, bauen die Beziehung zwischen Schneewittchen und dem Jäger aus und lassen die Königstochter vom verfolgten Opfer zur Anführerin eines Rückeroberungsfeldzuges aufsteigen. Auf der anderen Seite zeigt sich der Film in seinen Grundstimmungen treu zum Grimm'schen Werk, indem er dessen düstere und mystischen Zwischentöne deutlich herausarbeitet.

Die Welt unter der Regentschaft der bösen Königin (Charlize Theron) ist ein finsterer Ort. Die Burg ist in die schwarzen Klippen hoch über dem tosenden Meer gehauen und das Land ist umgeben von einem düsteren, magischen Wald, in den sich Schneewittchen (Kristen Stewart) nach ihrer Flucht rettet. Dort hinein wird auch der Jäger (Chris Hemsworth) - ein raufsichtiger Trunkenbold mit vernebeltem Gerechtigkeitssinn - geschickt, um die Ausreißerin wieder einzufangen. Aber statt sie an die Schergen der Königin auszuliefern, brennt er mit dem Mädchen durch.

Während Kristen Stewart in den Twilight-Filmen mit zunehmender Tatenlosigkeit den Beschützerinstinkten von Vampiren und Werwölfen ausgesetzt war, hat ihre scheinbar stigmatisierte Frauenfigur hier mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Schneewittchens haushälterischen Qualitäten im Zwergenheim bleiben in dieser Version des Märchens gezielt außen vor. Die sieben Zwerge sind ein Haufen gescheiterten Rebellen, die durch das Auftauchen der Königstochter neue umstürzlerische Energien entwickeln. Am Schluss reitet sie in schmucker Rüstung mit ihrer Exilarmee gegen die übermächtigen Truppen der Königin.

Nicht ohne Geschick verwebt Sanders Elemente aus Fantasy-, Horror- und Ritterfilm mit der Grundstruktur der Märchenvorlage. Robin Hood, Jeanne D'Arc, eine waschechte Wiederauferstehung und jede Menge Motive aus Herr der Ringe werden zu einer eigenständigen Geschichte verquirlt, die vor allem durch ihren kohärenten, visuellen Stil überzeugt.

Kristen Stewart handhabt die Balance zwischen Verletzlichkeit und erstarkendem Selbstbewusstsein ihrer Figur mit differenziertem schauspielerischen Vermögen und Chris Hemsworth wird als animalisches Mannsbild von der Regie fest an die Leine genommen. Charlize Theron, deren Figur der bösen Stiefmutter um einige vampirähnliche Wesenszüge ergänzt wurde und mehrfach digitale Alterungsprozesse durchlaufen muss, überzeugt in jedem Aggregatszustand in der Rolle des personifizierten Bösen - und als tragische Figur, in der das Wechselverhältnis zwischen Macht und Schönheit reflektiert wird.

Martin Schwickert

USA 2012 R: Rupert Sanders B: Evan Daugherty, John Lee Hancock, Hossein Amini K: Greig Fraser D: Kristen Stewart, Chris Hemsworth, Charlize Theron