SO GLÜCKLICH WAR ICH NOCH NIE

Betrüg mich!

Hochstapeln als Gesellschaftsspiel


Das Interview zum Film

In seinem Dokumentarfilm Die Hochstapler hatte Alexander Adolph vier Trickbetrüger porträtiert, die mit erfundenen Identitäten Millionenbeträge erwirtschafteten. Von der schillernden Oberfläche grub sich der Film immer tiefer in die Psyche der Hochstapler hinein, die trotz ihrer profunden Menschenkenntnis selbst unter zunehmendem Realitätsverlust litten.

Wer die brillante Dokumentation gesehen hat, spürte sofort, dass in den Erzählungen der Trickbetrüger der Stoff für mehrere Filme steckte. Adolph rückt in seiner Spielfilmauskoppelung So glücklich war ich noch nie den eher unauffälligen Hochstapler Frank Knöpfel (Devid Striesow) ins Zentrum des Interesses.

Gleich zu Beginn des Films wird er am vorläufigen Ende seiner Karriere gezeigt. Nachdem in einer Nobel-Boutique die ungedeckte Kreditkarte aufgeflogen ist, scheitert der Fluchtversuch am zu klein geratenen Toilettenfenster, in dem er jämmerlich stecken bleibt. Die Realität ist eben einfach zu klein für einen Mann seines Formats.

Als Frank zwei Jahre später aus dem Knast entlassen wird, versucht er ein neues, ehrliches Leben anzufangen. Er kommt zunächst bei seinem Bruder Peter (Jörg Schüttauf) und dessen Frau Marie (Floriane Daniel) unter. Der Bewährungshelfer besorgt ihm einen Job in einer Putzkolonne. Als er auf der Straße Tanja (Nadja Uhl) entdeckt, die er schon vor seiner Festnahme in der Boutique angesprochen hatte, beginnt Frank wieder das alte Spiel mit den erfundenen Identitäten. Tanja arbeitet als Prostituierte. Frank setzt es sich in den Kopf sie aus den Fängen der Puffmutter frei zu kaufen. So viel Geld lässt sich natürlich auf legalem Wege schwer besorgen, aber Franks krimineller Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Wenn Frank andauernd vor dem Spiegel stehen bleibt, dann geschieht das nicht aus Eitelkeit, sondern um sich seinem leicht flüchtigen Selbst zu vergewissern. "Man ist doch nie gleich. Man ist doch ständig jemand anderes" sagt Frank und bringt damit gleichzeitig seine Sehnsucht und sein Lebensdilemma zum Ausdruck. Dabei handelt der Betrüger nicht nur aus materiellem Eigennutz. Auch den Bruder, dessen Karriere als Werbedesigner ins Stocken geraten ist, bringt Frank mit ein paar dreisten Auftritten beim Auftraggeber in Schwung.

Devid Striesow spielt den Hochstapler mit großartiger Bescheidenheit. Naivität und Unverfrorenheit liegen ganz dicht nebeneinander. Gleichzeitig zeigt der Film in seinen Nebenfiguren, dass Hochstapelei ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist. Die Prostituierte, die jeden Freier mit "Da bist du ja. Ich hab' auf dich gewartet" begrüßt, auch wenn sie sich kaum noch an ihn erinnert, die Schwägerin, die sich als Personalmanagerin ausgibt und doch nur als Bedienung hinter dem Tresen steht, der Bruder, der nicht weiß, ob er seinen Kunden in Jeans oder Anzug entgegentreten soll, sein Auftraggeber, der als Chef der "Freien Liberalen" ein besonders kleiner Gernegroß ist: Adolph entwirft einen Kosmos der alltäglichen Betrügereien, von denen sich Franks Hochstaplerexistenz nur durch die Grenzüberschreitung in die Illegalität unterscheidet.

Martin Schwickert

D 2009 R&B: Alexander Adolph K: Jutta Pohlmann D: Devid Striesow, Nadja Uhl, Jörg Schüttauf